Angela Merkel und Greta Thunberg unterhalten sich am Rande des UN-Klimagipfels im vergangenen September. Foto: dpa

Greta Thunberg besucht Angela Merkel an diesem Donnerstag in Berlin. Sie will den Klimaschutz aus dem Coronaschatten holen. Die Kanzlerin darf sich auf Klartext gefasst machen.

Stockholm - Es gibt sicher kompromissbereitere Gäste. An diesem Donnerstag bekommt Angela Merkel Besuch von einer Persönlichkeit, deren Anliegen die Politikerin nicht so leicht wegmoderieren kann. Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg wird sich zu Klimafragen im Berliner Kanzleramt für 90 Minuten mit Merkel besprechen. Die Bundeskanzlerin ist derzeit auch Vorsitzende des Europäischen Rats.

Anlass für die Einladung sei ein Schreiben von Thunberg und Luisa Neubauer vom Juli an die EU mit der Aufforderung nach einem Systemwechsel „Wir stehen vor einer existenziellen Krise“ heißt es darin. Neubauer, die zusammen mit zwei weiteren Aktivistinnen auch in Berlin zugegen sein wird, ist das deutsche Gesicht der von Thunberg initiierten globalen Bewegung „Fridays for Future“, bei der zum Schulstreik für den Klimaschutz aufgerufen wird.

Der Donnerstag ist auch ein besonderes Jubiläum – vor zwei Jahren begann die damals unbekannte Schülerin Thunberg vor dem schwedischen Reichstag ihren legendären Schulstreik und wurde rasch von den Medien entdeckt. Ihr Weg führte sie daraufhin um die Welt, sie stieg zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten auf.

Das Virus legt die Demos lahm

Bis das Virus kam. Die Bewegung, die sich für einen radikalen Abbau von CO2 einsetzt, musste ihre Protestmärsche im März wegen der Corona-Pandemie ins Digitale verlegen und verlor stark an öffentlicher Präsenz und Anhängerschaft. Dabei war sie vor allem in Deutschland so erfolgreich – knapp ein Drittel der 16- bis 18-Jährigen ging im vergangenen Jahr gegen die Erderwärmung auf die Straße. Am 25. September will „Fridays for Future“ mit dem „Globalen Klimastreik“ wieder auf den Straßen und Plätzen der Metropolen Präsenz und Stärke zeigen.

An Radikalität hat Thunberg freilich nichts eingebüßt. „Entweder wir bestehen weiter als Zivilisation oder nicht. Wir müssen nun das scheinbar Unmögliche tun“, sagte die 17-Jährige im schwedischen Radio. Dort verriet die Gymnasiastin auch, dass ihr erstes Treffen bei der UNO-Versammlung in New York im September mit Merkel wenig glücklich verlaufen war. Merkel sei vor allem an einem Selfie mit ihr interessiert gewesen, das sie auf der Instagramseite „Save the Planet“ veröffentlichen konnte. Doch nun soll das Treffen über eine PR-Aktion hinaus gehen. In der EU stehen im September Verhandlungen über das Klimaziel bis 2030 an. Merkel hat sich für eine in der CDU umstrittene Reduktion von 55 Prozent des CO2- Wertes ausgesprochen, was Thunberg zu wenig ist.

In Schweden gibt es Kritik an Thunberg

Mit der bei Jugendlichen beliebten Thunberg kann die Kanzlerin andererseits ihre Ernsthaftigkeit in Klimafragen untermauern – die CDU-Politikerin muss jedoch auch mit kritischen Fragen über bisherige Versäumnisse rechnen. Die mit Asperger-Syndrom behaftete Thunberg gilt als sehr direkt in ihrem Gesprächsverhalten. In Schweden ist die Aktivistin nicht unumstritten. In den führenden überregionalen Zeitungen „Dagens Nyheter“ und „Svenska Dagbladet“ wird moniert, dass sie bei ihren Anhängern wie eine Kassandra verehrt werde, die ein „Wahrheitsserum“ habe. Thunberg zitiere wissenschaftliche Studien, aus denen sie dann noch weit radikalere Forderungen ableite. Auch vermerken schwedische Journalisten, dass Thunberg das Klimathema erweitert und die Blacklivesmatter- und Metoo-Bewegung mit an Bord genommen habe.

Was die Kanzlerin beim Treffen erwartet, haben Thunberg und Neubauer am Mittwoch in einem Beitrag im britischen „Guardian“ angerissen. „Nach zwei Jahren der Schulstreiks befindet sich die Welt noch immer in einem Zustand des Leugnens der Klimakrise“, schrieben sie. „Wir können so viele Treffen haben, wie wir wollen, aber der Wille zum Wandel ist nirgends in Sicht.“ Trotz etlicher Naturkatastrophen habe man immer noch nicht begonnen, die Klima- und Umweltkrise als eine Krise zu behandeln, monierten die Aktivistinnen. Der Abstand zwischen dem, was getan werden müsse, und dem, was getan werde, wachse unentwegt: „Tatsächlich haben wir zwei weitere Jahre durch politische Untätigkeit verloren.“ Nach Kompromissbereitschaft klingt das nicht.