Migranten wärmen sich an einem Feuer an der weißrussisch-polnischen Grenze. Foto: dpa/Oksana Manchuk

Minsk und Moskau nutzen die Doppelzüngigkeit und Zögerlichkeit der EU in Sachen Migration für ihre Zwecke, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn. Die Union hat aber die Chance zu reagieren.

Brüssel - Alexander Lukaschenko verspottet die EU und Wladimir Putin nickt zufrieden lächelnd dazu. Sie ziehen den in ihren Augen überheblichen Westen vor aller Welt am Nasenring durch die Manege. Menschenrechte gelten in der Europäischen Union nur dann, so die Botschaft der beiden Autokraten, wenn sie von anderen eingefordert werden können.

Die EU-Staaten tun den kühl kalkulierenden Machthabern den Gefallen und verfallen angesichts einiger Hundert Migranten in eine Panik, als gehe es um das Überleben der gesamten Union. Inzwischen wird sogar nach der Nato gerufen, was ziemlicher Unsinn ist. Weder ist die staatliche Sicherheit Polens bedroht, noch handelt es sich um einen bewaffneten Angriff auf das Land.

Zynisches Spiel mit verzweifelten Menschen

Das zynische Spiel mit den verzweifelten Menschen funktioniert allerdings nur, weil die EU eine bestürzende Doppelmoral in Sachen Migration an den Tag legt. Die Empörung ist groß, wenn Donald Trump in den USA eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen lässt, die Stacheldrahtzäune in Calais, Ungarn oder Ceuta werden stillschweigend akzeptiert. Zudem hat es die Union sträflich vernachlässigt, eine gemeinsame Asylpolitik zu erarbeiten und auch umzusetzen. Seit Jahrzehnten ertrinken Menschen im Mittelmeer, sie fliehen vor Hunger, Krieg und Klimakatastrophen. Alles keine neuen Phänomene.

Die sträflichen Versäumnisse der EU

Die menschliche und politische Krise an der Grenze zu Belarus macht die Versäumnisse der EU augenscheinlich. In dieser Situation, die auch ein Machtkampf zwischen zwei Wertesystemen ist, muss die Union beweisen, dass sie in der Lage ist, sich zu verteidigen, ohne die eigenen Positionen aufzugeben. Das heißt konkret, dass eine Grenzbarriere aufgebaut werden muss. Aber nicht im Sinne Polens, sondern im Sinne der EU. Illegale Einreisen müssen verhindert werden, an Übergängen müssen die Menschen aber eine Chance haben, um Asyl zu bitten. Die Agentur Frontex hat dazu die Mittel und das Know-how.

Gleichzeitig muss den Menschen an der Grenze humanitäre Hilfe geleistet werden, was Polen ebenfalls verweigert. Zudem müssen die Schlepper in Minsk und Moskau gezielt bestraft werden. Ein Zaun an der Grenze ist Teil der Lösung in der aktuellen Situation. Mittelfristig muss sich die EU aber auf eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik einigen, sonst stolpert die Union ähnlich unvorbereitet in die nächste Krise.