Ein Landwirt fährt mit einer Pestizid- und Düngerspritze über ein Feld in Brandenburg. Foto: Patrick Pleul/ZB/dpa

Wenn Bauern Felder spritzen, können Spuren der Pflanzenschutzmittel auch noch über weite Entfernungen gefunden werden. Das zeigt eine neue Analyse.

München - In der Landwirtschaft verwendete Pestizide und deren Abbauprodukte verbreiten sich einer Studie zufolge kilometerweit durch die Luft. Das ist das Ergebnis einer Messung an 163 Standorten, die das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München veröffentlicht hat.

Bei den Messungen in ganz Deutschland wurden an rund drei Viertel der Standorte jeweils mindestens fünf und bis zu 34 Pestizidwirkstoffe sowie deren Abbauprodukte gefunden. Selbst auf der Spitze des Brockens im Nationalpark Harz seien zwölf Pestizide nachweisbar gewesen, teilten das Bündnis und das Umweltinstitut mit.

138 Pestizide in der Natur nachgewiesen

Insgesamt fanden sich demnach deutschlandweit 138 Stoffe, von denen 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen waren. Das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat sei in allen Regionen Deutschlands und weit abseits von potenziellen Ursprungsäckern nachgewiesen worden.

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Für die Studie wurden nach Angaben der Auftraggeber von März bis November 2019 Pestizide in der Luft gemessen. Untersucht wurden Standorte im Umkreis von weniger als 100 bis hin zu mehr als 1000 Metern Entfernung von potenziellen Quellen; in Städten und auf dem Land, in konventionellen und Bio-Agrarlandschaften sowie in unterschiedlichen Schutzgebieten.

Die Verbreitung von Pestiziden muss aus Sicht von Bundesumweltministerin Svenja Schulze dringend eingedämmt werden. „Wir wissen überhaupt noch nicht, wie dieser Cocktail aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln am Ende wirkt“, sagte die SPD-Politikerin. Dies sei besorgniserregend für den Ökolandbau und die Natur.

Schockierend oder künstlich aufgebauscht?

Karl Bär, Agrarexperte des Umweltinstituts München, nannte die Ergebnisse der Studie „schockierend“. Pestizide landeten „in schützenswerten Naturräumen, auf Bio-Äckern und in unserer Atemluft“.

Der Industrieverband Agrar (IVA), der die Interessen der agrochemischen Industrie vertritt, erklärte, die Funde seien „offenbar selten“ und die dabei nachgewiesenen Mengen „so minimal, dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich sind“. Hier werde ein Thema „künstlich aufgebauscht“, kritisierte IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer.

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