Im Vordergrund bei der Bewegung sollte der Spaß stehen, so die Meinung von Personaltrainer Tino Wieland. Foto:  

Woran kann man erkennen, dass man dem Körper durch zu viel oder zu wenig Belastung schadet? Ein Experte klärt auf. Für den Esslinger Personalcoach Tino Wieland sollte bei Bewegung immer der Spaß im Vordergrund stehen.

Esslingen - Sport ist Mord“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Ein anderes hält dagegen: „Wer rastet, der rostet“. Es ließen sich bestimmt noch ähnliche Formeln finden, doch welche davon treffen denn nun zu? Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, dazwischen. Aber woran erkenne ich, ob ich „roste“, oder meinem Körper durch Überbelastung schade?

Tino Wieland kennt sich mit den vielen Facetten der körperlichen Anstrengung aus. Seit 15 Jahren arbeitet der Esslinger als selbstständiger Personaltrainer. „Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass etwas nicht passt, ist Schmerz“, so Wieland. Dieser kann sowohl durch übermäßiges Training auftreten, beispielsweise als Muskelkater, oder auch durch einen Mangel an Bewegung entstehen. Ein typisches Beispiel hierfür sind Rückenschmerzen, die häufig durch langes Sitzen am Schreibtisch begünstigt werden.

„Im Englischen gibt es das Sprichwort ‚use it or lose it’ – zu deutsch etwa: ‚benutze es oder verliere es’ – das trifft es ganz gut“, erklärt Wieland. „Jeder Muskel, der nicht gebraucht wir, wird sich zurückbilden.“ Dadurch verliere man nicht nur an Kraft, sondern auch an Muskelmasse. Einer Studie zufolge geht laut Wieland in einer Woche der Bettlägerigkeit die Muskelmasse um bis zu 30 Prozent zurück. „Die Dauer und Anstrengung, diese Masse wieder aufzutrainieren, steht in keinem Verhältnis“, sagt Wieland.

Muskelschwund nach kurzer Zeit

Um dem entgegenzuwirken, sei jedoch keinesfalls Leistungssport nötig. „Es hilft schon, regelmäßig in Bewegung zu kommen, zum Beispiel zu spazieren oder die Treppen zur Burg rauf zu steigen“, sagt Wieland. Dadurch werde das Herz-Kreislaufsystem trainiert, der Körper wird mit Nähr- und Sauerstoff versorgt. „Man darf nicht vergessen, dass auch das Herz ein Muskel ist und trainiert werden kann.“ Als Beispiel führt Wieland den Ruhepuls von Radsportprofis an: „Dieser liegt bei etwa 40 Schlägen pro Minute, der ‚Durchschnittsdeutsche’ hat etwa 80 Schläge pro Minute.“ Mit gezieltem Training kann somit auch die theoretische Lebensdauer erhöht werden, in Deutschland sind etwa 35 Prozent der Todesfälle durch Herz- Kreislauferkrankungen bedingt. Mehr zum Thema Herz und Kreislauf wird in der vierten Woche unserer Serie „Gesund leben“ ab dem 11. Oktober zu lesen sein.

Nicht nur die Muskeln, auch Bänder, Sehnen und Bandscheiben können verkümmern, wenn sie nicht regelmäßig beansprucht werden. „Dann kann es bei einer Belastungsspitze zu größeren Problemen kommen“, erklärt Wieland, relativiert aber auch: „Natürlich kann auch ein durchtrainierter Mensch einen Bandscheibenvorfall oder Bänderriss erleiden.“

Routine ist wichtiger, als immer wieder Berge zu versetzen

Auch übermäßige Belastung kann dem Körper schaden. „Ich bin immer dafür, mit dem Körper zu trainieren, anstatt dagegen anzukämpfen“, rät der Personaltrainer. Dazu kann beitragen, lieber täglich moderat zu trainieren, anstatt wöchentlich oder alle paar Tage ein extremeres Leistungstraining zu absolvieren.

Durch sogenanntes Übertraining können ähnliche Symptome wie durch ein Burn-out-Syndrom oder übermäßigen Stress entstehen. „Es gibt im Wesentlichen zwei Arten“, führt Wieland aus, „entweder man steht total unter Strom und kann nicht mehr zur Ruhe kommen, oder man fühlt sich dauerhaft schlapp.“ Anzeichen könnten Schlafstörungen und anhaltende Müdigkeit sein, aber eben auch dauerhafter Bewegungsdrang, Herzrasen und Nervosität.

Wie kann man sich motivieren?

Wenn man sich dabei jedoch zu sehr unter Druck setzt, wird aus dem vermeintlichen Ausgleich schnell ein weiterer Stressfaktor. „Ich habe vor den Leistungen von Freizeitsportlern großen Respekt, aber: Auf Social-Media beispielsweise werden nur die schönen Seiten präsentiert. Wie viel Schmerz eventuell dahinter steckt, sieht niemand.“ Wenn ein zu großer Leistungsdruck entstehe, werde die Entlastung schnell selbst zur Last.

Zunächst rät der Fitness-Experte dazu, eventuell den Tagesablauf zu ändern. „Wenn man nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt und sich zum Essen hinsetzt, fährt der Körper runter. Danach ist viel Überwindung nötig, um sich noch einmal zur Bewegung aufzuraffen.“ Stattdessen könne es helfen, auf dem Weg zum Fitnessstudio oder in den Wald eine Banane oder ähnliches zu essen und erst nach dem Training eine richtige Mahlzeit zuzubereiten. Dabei sollte man auf Ausgewogenheit setzen, denn auch die richtige Ernährung spielt eine tragende Rolle für das körperliche Wohlbefinden.

„Wenn ich an einem Tag mal gar keine Lust habe, aber dennoch etwas tun möchte, fange ich mit einfachen Übungen an.“ Oft ziehe der Körper dann mit. Auch hier spielt die Routine wieder eine Rolle. „Ich weiß, das letzte Mal war mein Tag durch den Sport gerettet, also fällt es mir von vornherein einfacher.“ Falls dieser Trick einmal nicht funktioniert, dann bleibt es eben bei einem leichten Programm aus Mobilisations- und Dehnübungen.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Wie beeinflusst Ernährung unser Wohlbefinden?

Spaß sollte immer dabei sein

Essenziell ist es in den Augen des langjährigen Sportlers aber auch, eine passende und altersgerecht Sportart zu finden. Bei beinahe jedem Verein gebe es das Angebot eines Probetrainings. Wieland rät, die bestehenden Interessen einfach einmal auszuprobieren. „Wenn mir Boxen zu sehr weh tut, probiere ich nächstes Mal eben Schwimmen aus.“ Er selbst hat seine Erfüllung aktuell im Tischtennis gefunden. Der Sport ist sehr schnell und auch koordinativ anspruchsvoll. „Da muss ich mich gar nicht überwinden, bin viel mehr schon in freudiger Erwartung des nächsten Spiels. Wenn man einem gleichstarken Kontrahenten gegenübersteht, egal auf welchem Niveau und beide ihr bestes geben – das macht mich einfach glücklich.“

Freizeitsport

Leistungsdruck
Auch Freizeitsport kann zur Belastung werden. Bei zu hoher Belastung können Schlafstörungen, Unruhe und weitere Stresssymptome auftreten.

Personaltraining
In seinem Trainingsprogramm geht der gelernte Bankkaufmann individuell auf den betreffenden Menschen ein und verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz. Neben Muskelaufbau und Straffung sind auch aktive Entspannungsübungen und Mentalcoaching häufiger Bestandteil. Bewegung als Ausgleich