Der Stuttgarter Lustgarten spielt in der deutschen Geschichte des Spargels eine wichtige Rolle. Foto: Stadtarchiv Stuttgart

Baden-Württemberg und der Spargel haben eine wichtige historische Verbindung. Und auch Stuttgart spielt eine Rolle, wenn es um die Frage geht, wie das königliche Gemüse seinen Weg nach Deutschland gefunden hat.

Stuttgart - Die Geschichte des Spargels ist lang und facettenreich. Doch in der Summe ist wenig bekannt über das königliche Gemüse, das den einen höchste Freude und den anderen größten Ekel bereitet. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Historie des Spargels in Deutschland eng mit der Geschichte Baden-Württembergs verbunden ist. Und auch Stuttgart hat einen Platz in dieser Geschichte – sogar einen recht wichtigen.

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Die ersten Aufzeichnungen über den Spargel beginnen etwa ab 500 vor Christus in China, Ägypten und Griechenland. Damals noch vor allem als Heilpflanze verwendet, bewegte sich das Gemüse langsam aber sicher in die Kochbücher der Antike. Bereits zu dieser Zeit machte der Spargel seinem Ruf als königliches Gemüse alle Ehre. So sah sich der römische Kaiser Diokletian im Jahr 304 dazu gezwungen, das sogenannte Spargel-Dekret zu verhängen. Der Grund: Händler verlangten für das überaus beliebte Gemüse oft horrende Preise, unter anderem, weil sich das Gemüse nur unter langwierigen Bedingungen anbauen ließ. Das Dekret setzte dem feste Spargelpreise entgegen.

Neue Schriftzeugnisse entdeckt

Mit den Römern kam auch der Spargel nach Germanien. Im rheinland-pfälzischen Trier fanden Forscher 1994 ein Preisschild für das Gemüse aus dem 2. Jahrhundert. Doch Experten gehen mittlerweile davon aus, dass mit dem Untergang des Römischen Reiches auch das Wissen um den Spargel aus dem heutigen Deutschland verschwand. Erst im Mittelalter lässt sich die Wanderung des Gemüses von Italien aus über die Alpen in den Norden weiterverfolgen. Zuerst angekommen ist das Gewächs dabei in Baden-Württemberg.

1543 schrieb etwa der Tübinger Arzt und Botaniker Leonhart Fuchs in seinem „New Kreüterbuch“: „Spargen wachsen gern an steynigen, zähen vnd leymechten orten, werden auch in den gärten gezilet (gezogen)“. Bis vor wenigen Jahren gingen Forscher davon aus, dass der Spargel von mittelalterlichen Mönchen über die Alpen gebracht wurde – wohl zu Unrecht. Denn der Stuttgarter Referatsleiter des baden-württembergischen Landesarchivs, Peter Rückert, hat einen anderen Hintergrund gefunden. In seiner auf neu erforschten Schriftzeugnissen basierenden Geschichte geht es um eine maßgeblich am Spargelimport beteiligte, italienische Prinzessin. Sie könnte es auch gewesen sein, die den Spargel nach Stuttgart brachte.

Spargel: ein königliches Gemüse

Die Prinzessin trug den Namen Barbara Gonzaga von Mantua und lebte zwischen 1455 und 1503. Sie verheiratete sich mit dem Grafen von Württemberg-Urach, Eberhard im Bart, und zog mit ihm von Mantua in das Schloss von Bad Urach, etwa 50 Autominuten entfernt von Stuttgart. Verbindungen zwischen oberitalienischen und süddeutschen Fürstenhöfen im Spätmittelalter waren dabei nicht ungewöhnlich. Doch Gonzaga brachte mit sich selbst, auch ihren speziellen Geschmack mit ins Ländle.

Von einem „Meisterkoch“ vieler württembergischer Grafen ist überliefert, dass die Speisen im Schwäbischen sehr fleischlastig und schwer waren. Von Spargel wusste dieser „Meisterkoch“ übrigens noch nichts. Gonzaga wiederum vertrug das schwäbische Essen überhaupt nicht, wie zahlreiche Briefen der Dame in ihre italienische Heimat verraten. Aus Sehnsucht nach dem heimischen Gemüse, in erster Linie dem Spargel, bat die Gräfin schließlich ihre Mutter, Spargel und dessen Samen zu übersenden. In ihrer Gegend gebe es das Gemüse nämlich nicht.

Stuttgart als Zwischenhalt und Ankerpunkt

Der Spargel überquerte in der Folge seit der Antike zum ersten Mal wieder die Alpen nach Deutschland und wurde in Bad Urach angebaut. 1483 verlegte dann das Grafenpaar ihre Residenz von Urach nach Stuttgart. Und auch dort ließ Gonzaga die Schlossgärten neu bepflanzen. Ob sie dabei den Spargel mit sich nahm, ist nicht ausdrücklich überliefert. Wollte sie ihr hochgeschätztes Gemüse allerdings weiter genießen, musste sie ihn auch in Zukunft anbauen.

Der nächste handfeste Anhaltspunkt für Spargel in Stuttgart folgt nur wenige Jahrzehnte später. Diesmal im Fokus: der alte Stuttgarter Lustgarten, ein herzoglicher Festivitäten- und Rückzugsort im Schlossgarten von Stuttgart. Dort ist 1565 der erste urkundlich erwähnte Anbau von Spargel in Deutschland verzeichnet. Im „Kreuttern“-Inventar des vierten württembergischen Herzogs Christoph für seine Gärten finden sich Stauden, Zwiebelgewächse, Gemüse und, ja, Spargel. Noch heute lassen sich Ruinen des einst prächtigen, allerdings schon neuen Lustgartens von 1593 im Schlossgarten bewundern

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Von diesem Zeitpunkt an wird die Verbreitung des Spargels in Württemberg und Deutschland nur schwer nachvollziehbar. Fest steht, dass sich das Gemüse in der Region festsetzte. So gibt es weitere Zeugnisse aus dem Inventar des alten Stuttgarter Lusthauses von 1647, in denen der Anbau des Spargels explizit genannt wird. Nach und nach dürfte sich das königliche Gemüse – wobei diese Namensherkunft nun auch geklärt ist – im Ländle verbreitet haben. Die Spargel-Hochburg Schwetzingen etwa feierte 2018 „350 Jahre Spargelanbau“. Dort ließ der Pfälzer Kurfürst Karl Ludwig das Gemüse allerdings erst 1668 nachweislich anpflanzen.

Spargelanbau weitet sich massiv aus

Über die Jahrhunderte hinweg veränderte sich der Spargelanbau radikal. Brauchte der Spargel in früheren Zeiten leichte, warme Böden, um gedeihen zu können, verhalf der Spargelanbau unter Folien in den 1980er Jahren dem Gewächs zum massentauglichen Durchbruch. Spargel konnte fortan an Orten angebaut werden, die zuvor klimatisch nicht dafür geeignet waren. So fällt zum Beispiel auch der Anfang des Sonderkulturbetriebs „Früchtle vom Schmidener Feld“ in Schmiden in den Beginn der 1980er Jahre. Der Gründer Klaus Bauerle ist vor Kurzem im Alter von 63 Jahren verstorben. „Früchtle vom Schmidener Feld“ machte den Spargel dort heimisch und gehört mittlerweile zu den größten Spargelbauern im Südwesten.

Im Vergleich zu den ersten verwertbaren Zahlen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, hat sich die Anbaufläche von Spargel im Ländle kontinuierlich von 1952 mit 621 Hektar, zu etwa 2800 Hektar in 2019 gesteigert. In ganz Deutschland lag die Anbaufläche von Spargel 2019 bei etwa 27.000 Hektar – 37.815 Fußballfeldern. Der Spargel entwickelte sich somit im Laufe der Geschichte vom königlichen Gemüse hin zur bezahlbaren Alltagsspeise.