Wo Heinrich Fiechtner ist, ist die Konfrontation nicht fern. Das Bild zeigt ihn bei einer Querdenker-Demo 2020 in Düsseldorf. Foto: Imago Images//Christoph Hardt

Als Sitzungsleiterin ließ die liberale Beigeordnete das frühere AfD-Mitglied vor drei Jahren von der Polizei aus dem Sitzungsraum bringen. Nun läuft das Nachspiel.

Dreieinhalb Jahre ist es jetzt her, dass die Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) den damaligen Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner von Polizisten aus einem Sitzungsraum im Rathaus entfernen ließ, weil er im Sozialausschuss störte. Doch trotz der langen Zeit muss Fiechtner weiter mit einer Strafe rechnen. Am Montag sagte Fezer als Zeugin vor dem Amtsgericht Stuttgart, sie erhalte ihre Strafanzeige aufrecht: „Ich finde, es sollte sanktioniert werden, dass er Hausfriedensbruch beging.“ Fiechtners Anwalt Reinhard Löffler hatte sie zuvor gefragt, ob sie an dem Bestrafungswunsch wirklich festhalten wolle. Fiechtners Anliegen sei damals „irgendwie ja berechtigt“ gewesen, zwar nicht formal, aber politisch. Und der heute 63-Jährige sei ja nicht mehr Stadtrat.

Die Bürgermeisterin für Jugend und Bildung und damalige Sitzungsleiterin aber zeigte auch im Zeugenstand Kante gegen den Ex-Stadtrat, der zuerst der AfD angehört hatte, dann der Gruppierung BZS 23. Fiechtner forderte Fezers Klartext aber auch selbst heraus. Ob es denn sein könne, dass sie ihn nicht leiden könne, fragte er die Zeugin. Und ob sie es ihm damals vielleicht verwehrt habe, auch nur einen klaren und ausführlichen Satz zu seinem Anliegen zu vollenden? Fezer erwiderte: „Ich will nicht bestätigen, dass Sie einen klaren Satz gesagt haben, aber mit Sicherheit war es ein ausführlicher.“ Und: „Ich kann Sie nicht leiden, aber das steht in keinerlei Zusammenhang mit meiner Sitzungsleitung.“ Man müsse bei ihr nicht gut gelitten sein, um fair behandelt zu werden. Dem Gericht schilderte Fezer, wie Fiechtner damals eine Verwaltungsmitarbeiterin aus der Sitzung werfen lassen wollte: die Mitarbeiterin und Ehefrau des Krankenhausbürgermeisters Werner Wölfle (Grüne), den Fiechtner in jenen Tagen in der Klinikumaffäre heftig anging.

Fiechtner stellt sich als Opfer dar

Diese Mitarbeiterin habe die Aufgabe, sagte Fezer, die Sitzung des Sozialausschusses zu begleiten, dem sie aber nicht als Mitglied angehöre. Dieses Gremium habe im Übrigen auch keine Zuständigkeit für die städtischen Krankenhäuser. Ein Geschäftsordnungsantrag von Fiechtner sei weder nach der Gemeindeordnung noch nach der Geschäftsordnung des Gemeinderats zulässig gewesen. Sie habe Fiechtner das Wort entzogen, doch der habe immer weiter geredet, auch nach Sitzungsunterbrechungen. Daher rief Fezer die Polizei, die ihn aus dem Raum brachte. Das wurde mit einer Kamera gefilmt, die einer der Polizisten am Körper trug. Aus der Aufzeichnung erschließt sich, dass Fiechtner es auf die Spitze treiben wollte. Und auch Fezer sagt heute: „Er bettelte fast darum.“

Der Prozess wird mindestens bis Ende Januar dauern. Er läuft, weil Fiechtner einem Strafbefehl und einer Geldstrafe in Höhe von 38 000 Euro widersprach. Darin waren 16 Fälle aufgelistet, die nun Gegenstand der Verhandlung sind. Die Vorwürfe gegen den Arzt, der im Umfeld der sogenannten Querdenker und Gegner von Corona-Schutzvorkehrungen agitiert: unerlaubtes Filmen von Polizeibeamten und Veröffentlichung im Internet, Verstöße bei Versammlungen, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigungen. Er soll auch Gesundheitsminister übel beschimpft haben. Fiechtner aber stilisiert sich immer wieder zu einem „Opfer der Gesinnungsjustiz“.