Therapiebegleithund in Ausbildung: Al Capone hat mit Frauchen Sabine Kubinski schon Justizminister Guido Wolf besucht (Archivbild). Foto: Prävent Sozial

In Stuttgart trägt ein kleiner Altdeutscher Schäferhund den Namen Al Capone. Anders als sein Namensgeber setzt er sich gemeinsam mit seiner Hundeführerin für die Resozialisierung von Menschen ein, die schon einmal straffällig geworden sind: Dabei spielt die Körpersprache eine wichtige Rolle.

Stuttgart - Braune Kulleraugen, eine feuchte Nase und ein wuscheliger Kopf – das ist das erste, was man von „Al Capone“ sieht, wenn man den Flur zum Büro seines Frauchens Sabine Kubinski hinunterläuft. Dort steckt der Welpe seine Schnauze durch das Hundegitter im Türrahmen. Der angehende Therapiebegleithund soll ehemals Straffälligen dabei helfen, in einem Leben ohne Verbrechen Fuß zu fassen.

Doch was macht ein Therapiebegleithund eigentlich? „Bisher sind wir mit unseren Hunden vor allem in der Arbeit mit Betroffenen aktiv“, sagt Sabine Kubinski. Sie ist Sozialpädagogin bei Prävent Sozial, einem freien Träger der Straffälligen- und Opferhilfe in Stuttgart. Bei letzterem wird mit der tierischen Prozessbegleitung gearbeitet. Diese wird vor allem bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Menschen mit geistiger Behinderung eingesetzt.

Mutmacher auf vier Pfoten

Wenn ein Zeuge oder Opfer vor Gericht aussagen muss, sei das meist keine angenehme Situation. „Das, was vorgefallen ist, muss nochmals sehr detailliert nacherzählt werden. Außerdem wird die angeklagte Person wiedergesehen. Da kommt einfach viel wieder hoch“, erklärt Sabine Kubinski. Dafür gibt es bei Prävent Sozial das Pilotprojekt „Die Mutmacher – Dogs welcome. People tolerated.“.

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Die Hunde sollen die Betroffenen in schwierigen Situationen unterstützen, ihnen die Angst nehmen und ihren Stresspegel senken. „Besteht eine Grundaffinität zu Hunden, wirken sie nachweislich blutdrucksenkend“, erklärt Sabine Kubinski: „Sie können zur Hemmung der Kortisolproduktion und zur Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin führen.“ Dies löse auf physiologischer Ebene ein Gefühl der Entspannung aus und könne in den häufig stressgeladenen Situationen einer Zeugenvernehmung Unsicherheiten abbauen: „Das begünstigt die Wahrscheinlichkeit einer qualitativ guten Aussage“, folgert Kubinski.

Hilfe für Opfer und Täter

In dem tiergestützten Projekt sind gibt es noch mehr Vierbeiner: „Die Mutmacher“ sind der Golden Retriever „Watson“, der schokoladenbraune Labrador „Henry“ , und der Altdeutsche Schäferhund „Al Capone“. Gemeinsam mit Sabine Kubinski gehen die drei Hunde an das Stuttgarter Amts- und Landgericht sowie ins Frauenhaus oder sie sind bei Gesprächen mit den Ex-Straftätern dabei. Watson und Henry sind im Opfer- und Zeugenschutz tätig. Al Capone hingegen soll später für die Arbeit mit Tätern eingesetzt werden.

Der Altdeutsche Schäferhund ist fünf Monate alt. Die Ausbildung zum Therapiebegleithund kann er frühestens mit 15 Monaten absolvieren. Bis dahin muss er noch viel lernen. „Er wird spielerisch an sein Tätigkeitsfeld herangeführt“, sagt Sabine Kubinski. Mit den Hilfesuchend hat er schon Kontakt, geht mit ihnen spazieren, oder er begleitet seinen „Onkel Watson“ zu Gerichtsterminen.

Arbeit an der Körpersprache

Bei der Arbeit mit Gewalt- und Sexualstraftätern wird andere Hilfe benötigt. „Wir möchten viel an der Kommunikation arbeiten“, sagt Sabine Kubinski. Während sich Menschen durch die gesprochene Sprache ausdrücken, kommunizieren Hunde nonverbal, also mit ihrem Körper. Dieser spielt auch bei Menschen eine große Rolle. Sexual- oder Gewaltstraftäter hätten manchmal eine ungute Körpersprache. Die Sozialpädagogin erläutert: „Diese äußert sich beispielsweise durch eine starke Muskelanspannung oder einen unbewussten fixierenden Blick.“ Durch Übungen und den Umgang mit Hunden, könne am Auftreten der Täter gearbeitet werden: „Im besten Fall lässt sich das dann auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen.“

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Nicht nur für Sabine Kubinski ist die Arbeit mit Hunden etwas Besonderes. Ein kurzer Besuch am Amtsgericht Stuttgart zeigt, wie Al Capone den Menschen Freude bereitet. Kaum hat er das Gebäude betreten, kommen aus allen Ecken Mitarbeiter auf ihn und sein Frauchen zu. „Hallo, Al Capone“, rufen manche schon von Weitem. Andere gehen in die Knie und kraulen den jungen Rüden am Kopf, reden mit ihm und strahlen über das ganze Gesicht. „Wie soll ich heute noch verhandeln?“, witzelt eine Richterin und lacht.

Die tiergestützte Pädagogik von Prävent Sozial ist ein Pilotprojekt in Baden-Württemberg: Golden Retriever Watson ist der erste Gerichtsbegleithund im Land. Unterstützung finden Sabine Kubinski und die Vierbeiner nicht nur bei Justizminister Guido Wolf: Der Präsident des Stuttgarter Amtsgerichts, Hans-Peter Rumler, ist genauso begeistert von den Hunden, wie der Vizepräsident des Landgerichts Christoph Haiß.

Pelzige Stars auf Instagram

Auf Instagram gibt Sabine Kubinski einen Einblick in das Leben der Hunde: Bereits mehr als 500 Follower haben die Vierbeiner auf dem Sozialen Netzwerk.

Seit seiner elften Lebenswoche begleitet Al Capone sein Frauchen mit ins Büro.

Der dreijährige Watson arbeitet in der Opferhilfe. Er steht Betroffenen im Strafverfahren zur Seite. Außerdem besucht er einmal wöchentlich Kinder und Jugendliche in einem Frauenhaus.

Der achtjährige Labrador Henry ist dann im Einsatz, wenn Not am Hund herrscht und genießt solange das Leben auf der Ersatzbank. Gemeinsam mit Watson ist er einer der ersten Hunde in Baden-Württemberg, der in der Begleitung schutzbedürftiger Zeugen in Strafverfahren eingesetzt wird.

Der kleine Labrador Mikko soll in Zukunft auch zum Therapiebegleithund ausgebildet werden. Welches sein Spezialgebiet sein wird, lässt sich noch nicht sagen, denn dafür ist er noch zu jung.

Nach einem langen Tag bei der Arbeit, werden die Augen des Altdeutschen Schäferhundes schwer. Obwohl sichtlich interessiert, was um ihn herum geschieht, übermannt ihn der Schlaf. Aus seiner Box unter dem Schreibtisch ist nun ein leises Atmen zu hören: Vielleicht träumt der junge Hund ja von seiner Zukunft als erfolgreicher Therapiebegleithund.