Unklarheiten zum Piccolo-Sekt waren für das Gericht entscheidend. Foto: imago/MiS/imago stock&people

Eine ehemalige Mitarbeiterin der Gemeinde Weissach hat gegen eine fristlose Kündigung geklagt, nachdem die Verwaltung sie des Diebstahls bezichtigt hatte.

Es geht um verschwundene Päckchen des Bürgermeisters Daniel Töpfer, drei geöffnete Briefe, einige leere Proseccoflaschen und einen gestohlenen Piccolo-Sekt: Wegen Diebstahls hatte die Gemeinde Weissach die ehemalige Amtsbotin im vergangenen Dezember fristlos entlassen. Die Frau, die dort fast 20 Jahre beschäftigt war, klagte gegen die Kündigung.

Auch beim dritten Termin vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht, bei dem der Noch-Bürgermeister sich wegen Urlaubs vertreten lässt, steht Aussage gegen Aussage. Dass sie keine der genannten Gegenstände gestohlen hat, daran hält die Klägerin ebenso fest wie die Gemeinde an ihrem Tatverdacht. Auch der Richter Michael Büchele scheint zu Verhandlungsbeginn Zweifel an den Alternativen zu haben. Die einzig andere Variante – ein Komplott mit mehreren Beteiligten, wie gemutmaßt wird – könne man zwar nicht ausschließen. „Aber wie wahrscheinlich ist das?“ Bei den anwesenden Kritikern des Weissacher Schultes löst das Stichwort „Komplott“ derweil eifriges Nicken aus.

Gemeinde bleibt bei Vorwürfen

So wenig rücken die beiden Parteien von ihren Standpunkten ab, dass auch ein erneuter Einigungsvorschlag ohne Abfindung, den Richter Büchele unterbreitet hat, durch beide Parteien abgelehnt wird. Das hätte die Gemeinde wegen des recht niedrigen Bruttomonatsgehalts der ehemaligen Amtsbotin wenig gekostet. Stattdessen wird mit der Befragung von vier Zeugen fortgefahren – möglicherweise mit der Folge, dass neue Informationen ans Licht kommen oder sich Zeugen widersprechen? „Wären Sie jetzt Herr Töpfer“, so Büchele zur Vertreterin der Gmeinde, „würde ich sagen, es grenzt an Geldverschwendung, so ein Risiko einzugehen.“

Noch höher wird dieses Risiko für die Gemeindeverwaltung, weil man gegenüber der Amtsbotin keine Verdachts-, sondern eine Tatkündigung ausgesprochen hatte. Für letztere muss es wesentlich überzeugendere Indizien für die Schuld der Klägerin geben. Und tatsächlich hinterlässt die Befragung der Zeugen so einige Fragezeichen.

Piccolo-Sektflasche im Zentrum der Verhandlung

Primär geht es dabei gar nicht mehr um das wesentlich wertvollere Diebesgut, die verschwundenen Päckchen – für eine Schuld der Klägerin gebe es hier zu wenig Indizien, stellt Büchele gleich zu Beginn fest. Stattdessen fokussiert sich die Diskussion auf die geöffneten Briefe und besonders die Piccolo-Sektflasche, die eine Mitarbeiterin des Rathauses geschenkt bekommen hatte und die anschließend leer im Büro der Amtsbotin gefunden wurde. Wo war diese Flasche und zu welchem Zeitpunkt? Wer hat sie wann zum ersten Mal im Amtsboten-Zimmer gefunden? Final geklärt werden diese Fragen auch nach den sich im Detail widersprechenden Zeugenaussagen kaum. Stutzig lässt die Kammer auch werden, das Daniel Töpfer laut Zeugenaussagen im Büro der Amtsbotin zielstrebig auf die leere Flasche zugegangen sei, als hätte er diese bereits zuvor entdeckt. „Bisher war der Vortrag ein anderer“, so Büchele. Eine Befragung Töpfers dazu war wegen seiner Abwesenheit nicht möglich. Für die Kammer reichen diese kleinen Ungereimtheiten schließlich aus. „Wir sehen das so, dass wir ganz erhebliche Zweifel an dem Vorgang mit der Piccolo-Flasche haben“, sagt Büchele. „Für eine Verdachtskündigung würde es ausreichen, für die Tatkündigung wird es schwierig.“ Ins Gewicht fällt für die Kammer schließlich auch, dass die Amtsbotin fast 20 Jahre für die Gemeinde gearbeitet hatte. „Die Klägerin gewinnt deshalb den Prozess heute bei uns“, so Büchele.

Zurück ins Rathaus?

Eine Einigung gab es auch danach nicht. Höchstens 7500 Euro Abfindung würde die Gemeinde zahlen, was die Klägerin ablehnt. Sie stellte stattdessen einen Auflösungsantrag. Geht eine der beiden Parteien in den nächsten vier Wochen in Berufung, würde der Fall vor das Landesarbeitsgericht ziehen. Ob dieses zum gleichen Schluss kommen würde, kann Büchele nicht sagen. Es sei eine Interessensabwägung. „Wir könnten beides begründen.“ Bleibt es bei dem Ergebnis, könnte die Amtsbotin wieder im Rathaus arbeiten. Dort sind inzwischen nur noch wenige der Mitarbeiter übrig, die in den Rechtsstreit verwickelt waren. Der neu gewählte Bürgermeister Jens Millow habe bereits Kontakt mit ihr aufgenommen, so die Amtsbotin.