Die heftigen Kursschwankungen der vergangenen Monate verunsichern viele Anleger. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Börsengehandelte Indexfonds (ETFs) erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Doch nun ist die Nachfrage eingebrochen. Warum ETF-Anleger bei der Stange bleiben sollten.

In der Coronakrise wurden sie zum Verkaufsschlager: Exchange-Traded Funds (ETFs), also Investmentfonds, die ohne Fondsmanager auskommen und deshalb vergleichsweise günstig sind. Doch die vom russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Talfahrt am Aktienmarkt hat dem Boom ein Ende bereitet: Im ersten Halbjahr flossen laut Zahlen des Fondsverbands BVI netto nur 500 Millionen Euro in ETFs, die von deutschen Anbietern vertrieben werden. Im Vorjahreszeitraum hatten die Netto-Zuflüsse fast 16 Milliarden Euro betragen.

Neben der miesen Stimmung an den Börsen macht Anlegern die Inflation zu schaffen, auch die Zuflüsse in andere Fonds sind deshalb geschrumpft. ETFs traf der Einbruch der Nachfrage aber besonders hart.

ETFs machen die Talfahrt vieler Indizes ungebremst mit

Das dürfte mit dem Wesen dieser speziellen Fondskategorie zusammenhängen: ETFs bilden eins zu eins die Wertentwicklung von Börsenindizes nach. Wenn – wie nun schon seit Monaten – der Deutsche Aktienindex (Dax) und andere Indizes fallen, verlieren also auch die daran gekoppelten ETFs an Wert. Demgegenüber besteht bei anderen Fonds die Möglichkeit, dass das Fondsmanagement durch die gezielte Auswahl einzelner Aktien Verluste lindert oder sogar ausgleicht.

Allerdings herrscht in der Finanzwissenschaft weitgehend Einigkeit, dass dieses Gegensteuern nur wenigen Fondsmanagern gelingt – und dann in der Regel nur für einen überschaubaren Zeitraum. „Durch Aktienselektion eine bessere Performance zu erzielen, gelingt den aktiven Fondsmanagern im Schnitt nicht“, fasst Olaf Stotz, Professor an der Frankfurt School of Finance, die Ergebnisse zahlreicher Studien zusammen.

Der Blick in den Rückspiegel ist wenig aussagekräftig

Nun gibt es natürlich Wertentwicklungsstatistiken und Preise, die helfen sollen, gute Fondsmanager von schlechten zu unterscheiden. „Hier hat sich aber gezeigt, dass die Performance einzelner Fonds in der Vergangenheit kein Indikator für die Zukunft ist“, sagte Stotz unserer Zeitung. Deshalb sei es für Anleger sinnvoll, sich die für das Fondsmanagement anfallenden Gebühren zu sparen. „Passive Fonds wie ETFs sind das bessere Investment, weil die Gebühren geringer sind.“

Lutz Johanning, Professor für Kapitalmarktforschung an der WHU – Otto Beisheim School of Management, schränkt diese Aussage ein wenig ein: Es gebe durchaus aktive Anlagestile, die sich in Krisen besonders bewährt hätten, sagte er unserer Zeitung. Oft seien diese aber dafür in guten Zeiten weniger erfolgreich. Manchmal falle sogar eine Versicherungsprämie an – wenn Manager von Aktienfonds Absicherungsinstrumente einsetzen, um Verluste zu vermeiden.

ETF ist nicht gleich ETF

Wer in ETFs investiert, macht dagegen Verlustphasen an den Märkten voll mit – aber eben auch die spätere Kurserholung. Natürlich gibt es für Letztere keine Garantie: Wer einen ETF auf einen Spezial-Index erwirbt, der nur Aktien einer einzigen Branche enthält, könnte sich verzocken. Ob etwa Wasserstoff-Produzenten die in sie gesetzten Erwartungen jemals erfüllen, weiß niemand. Wer aber ETFs hält, die eine Vielzahl von Aktien aus verschiedenen Branchen und Ländern abdecken, hat langfristig gute Chancen auf auskömmliche Renditen.

Zwar sind selbst ETFs auf Welt-Indizes wie den MSCI World, den MSCI All Country World oder den FTSE All World vor Verlusten nicht gefeit: Wenn es – wie im vergangenen Halbjahr – an allen wichtigen Aktienmärkten der Welt bergab geht, trifft das natürlich auch diese Indizes und die dazugehörigen ETFs. Dass aber die gesamte Weltwirtschaft über Jahre schrumpft, ist ausgesprochen unwahrscheinlich.

Vertrauen in Fondsmanager spielt eine wichtige Rolle

Alle diese Erkenntnisse sind schon lange bekannt. Warum gehen die Investitionen in ETFs dennoch so stark zurück? Ein Grund ist nach Einschätzung von Professor Johanning, dass ETFs vor allem von Selbstentscheidern gekauft werden. Diese sprängen in schwierigen Zeiten schnell wieder ab, während ein von einer Fondsgesellschaft oder Bank beratener Anleger sich möglicherweise zum Bleiben bewegen lasse.

Eine US-Studie unter dem Titel „Money Doctors“ kam schon vor Jahren zu dem Schluss, dass – auch wenn sich die Gebühren für aktiv gemanagte Fonds gemessen am Anlageerfolg nicht lohnen – ein Fondsmanager Kleinanlegern durchaus nützen könne. Das Vertrauen in einen Experten mache es ihnen leichter, gewisse Risiken einzugehen – „und damit Renditen zu erwirtschaften, die sie sonst möglicherweise nie erhielten“.