Wem das Geld nicht in die Wiege gelegt wird, der muss als junger Berufstätiger mit der Altersvorsorge beginnen. Aktien bieten über lange Zeiträume gute Ertragschancen. Foto: Studio Zeichnerei 6/Ilona Trimbacher

Die neue Bundesregierung verspricht eine Reform der privaten Altersvorsorge. Geprüft werden soll die Idee eines öffentlich-rechtlichen Vorsorgefonds. Doch die Vorstellungen gehen weit auseinander.

Frankfurt - 20 Jahre nach Einführung der Riester-Rente plant die neue Bundesregierung eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge. Den Inhabern laufender Riester-Verträge wird Bestandsschutz versprochen, auch der Abschluss von Neuverträgen bleibt vorerst möglich. Doch für die Zukunft solle es „Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester“ geben, heißt es im Koalitionsvertrag der Ampelregierung.

In die Kritik geriet die Riester-Rente zunächst wegen der Provisionen, die die Finanzbranche mit den Verträgen verdient. Durch die niedrigen Zinsen büßte das Riestern dann weiter an Attraktivität ein.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Ist die Riester-Rente noch zu retten?

Verbraucherschützer fordern als Ausweg seit Jahren einen öffentlich-rechtlichen Vorsorgefonds. Die Idee: Über die Arbeitgeber zahlen Arbeitnehmer Beiträge an eine öffentliche Einrichtung, die das Geld von privaten Fondsmanagern überwiegend in Aktien anlegen lässt. Damit würde Verbrauchern die mühsame Suche nach einem geeigneten Vorsorgeprodukt abgenommen. Weil der öffentlich-rechtliche Träger kaum Geld für Werbung und Vertrieb ausgeben müsste, könnte er außerdem kostengünstiger arbeiten als private Anbieter, argumentiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV).

Der Koalitionsvertrag lässt viel Interpretationsspielraum offen

Die neue Regierung will laut Koalitionsvertrag die Idee „eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen“. Doch die Vorstellungen der drei Regierungsparteien gehen weit auseinander.

Die radikalsten Reformpläne präsentierte im Wahlkampf die FDP, die eine „Aktienrente“ nach schwedischem Vorbild forderte. Wie in dem skandinavischen Land sollte die gesetzliche Rentenversicherung einen kleinen Teil der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlten Beiträge am Kapitalmarkt anlegen lassen. Die damit erzielten Erträge sollten nicht in die Umlagefinanzierung der laufenden Renten fließen, sondern auf individuellen Konten der einzelnen Versicherten angesammelt werden.

Eine Schwächung der umlagefinanzierten Rente lehnen SPD und Grüne jedoch ab. Der FDP-Vorschlag geht auch über die Forderungen des VZBV hinaus, der einen öffentlich-rechtlichen Vorsorgefonds als Ergänzung zur gesetzlichen Rente betrachtet. Nach den Vorstellungen der Verbraucherschützer sollten die Arbeitgeber zwar automatisch einen Teil des Gehalts ihrer Beschäftigten an den Fonds überweisen, die Arbeitnehmer hätten aber ein Widerspruchsrecht.

Statt Schweden könnte Großbritannien Pate stehen

Eine solche Lösung wäre aber wettbewerbsrechtlich problematisch, meint Markus Kurth, der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag. „Ein Bürgerfonds, in den alle einzahlen, die nicht widersprechen, hätte einen enormen Startvorteil gegenüber den Anbietern privater Produkte“, gibt er zu bedenken.

Ein möglicher Ausweg: „Die Arbeitgeber sollten verpflichtet werden, allen Beschäftigten eine Betriebsrente anzubieten. Ein öffentlich-rechtlich organisierter Fonds könnte dann eines der anzubietenden Instrumente sein, ähnlich wie in Großbritannien“, meint Kurth. Dort landen Arbeitnehmer, deren Firma keine andere Form der betrieblichen Altersvorsorge anbietet, bei einem staatlichen Rentenfonds namens Nest. Ein Ausstieg ist jederzeit möglich.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz brachte nicht den erhofften Erfolg

In Deutschland sollte den Durchbruch eigentlich das Betriebsrentenstärkungsgesetz von 2018 bringen. Um die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge zu erleichtern, wurde damals die Möglichkeit eingeführt, dass Arbeitgeber jenseits einer Beteiligung an den Einzahlungen keine Verantwortung für die Höhe der späteren Betriebsrente übernehmen müssen. Erlaubt ist ein solcher Garantieverzicht aber nur, wenn er via Tarifvertrag mit den Arbeitnehmervertretern vereinbart wurde – Sozialpartnermodell heißt diese Lösung. Bislang gibt es nur eine entsprechende Vereinbarung.

Die SPD hofft trotzdem noch auf einen Erfolg des Gesetzes. „Die Gewerkschaften müssen ihren Mitgliedern klarmachen, dass weniger Garantien bei der Altersvorsorge Vorteile haben“, sagt Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und zuständig für die Bereiche Arbeit und Soziales. Der Hintergrund: Strikte Beitragsgarantien machen eine Anlage von Spargeldern in Aktien fast unmöglich – doch ohne Aktien gibt es in Zeiten niedriger Zinsen kaum noch Rendite.

Schmidt hofft, dass sich das Sozialpartnermodell in den bevorstehenden Tarifverhandlungen stärker durchsetzt. Anderenfalls „wäre zu überlegen, die Betriebsrente obligatorisch zu machen“, meint die SPD-Politikerin. Den Arbeitgebern als Instrument für die Organisation einer betrieblichen Altersvorsorge auch einen öffentlich-rechtlichen Fonds anzubieten, hält sie für denkbar. Auch dafür müsse aber eine tarifvertragliche Vereinbarung nach dem Sozialpartnermodell die Grundlage sein.

Die FDP hofft auf eine weitere Vereinfachung

Dem rentenpolitischen Sprecher der FDP, Johannes Vogel, ist diese Hürde zu hoch: „Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich einig sind, sollte eine höhere Aktienquote auch bei anderen Formen der betrieblichen Altersvorsorge möglich sein.“

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Die Inflation frisst die Zinsen auf

Ein anderer Weg, Verbrauchern den Zugang zur kapitalgedeckten Altersvorsorge zu erleichtern, findet sich in einem Konzeptpapier der FDP vom Februar. Neben Pflichtbeiträgen zu der von der Partei gewünschten Aktienrente wurde darin angeregt, „auf freiwilliger Basis auch über die obligatorischen Einzahlungen hinausgehende Beiträge zuzulassen“. Eine freiwillige Lösung unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung wäre möglicherweise konsensfähig.

Die Zukunft der staatlichen Förderung ist ungewiss

Staatliche Zulagen wie bei Riester dürfe es für Altersvorsorgeprodukte ohne Garantie und ohne Arbeitgeberbeteiligung aber nicht geben, findet der Grünen-Politiker Kurth. Dieser Vorbehalt gelte für ein öffentlich-rechtlich organisiertes Standardprodukt genauso wie für Altersvorsorge-Verträge privater Anbieter. Ähnlich sieht es Schmidt: Wer zusätzlich zur gesetzlichen Rente und einer betrieblichen Altersvorsorge noch eine weitere Absicherung wünsche, bedürfe dafür keiner staatlichen Forderung.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: In fünf Schritten an die Börse

Sicher ist bislang nur eines: Die neue Regierung will der gesetzlichen Rentenversicherung aus Steuermitteln zehn Milliarden Euro zuführen, die am Kapitalmarkt angelegt werden sollen. Dies „dämpft das Demografierisiko und ist ein echter Schritt nach vorn“, freut sich FDP-Politiker Vogel. „Diese Summe führt nicht weit“, meint dagegen Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der LBBW. „Das ist der Betrag, den die Rentenversicherung in weniger als einem halben Monat an Rentenzahlungen ausgibt.