Anja Bettinger (links) hat für das Kollegium des Fon Instituts durchsichtige Masken genäht. Foto: /Sebastian Gall

Durch die Maskenpflicht, die zur Handhabung der Corona-Krise eingeführt wurde, haben Gehörlose mit der Kommunikation zu kämpfen. Durchsichtige Masken können helfen.

Bad Cannstatt - Das Tragen von Mund-Nasen-Masken erschwert gehörlosen und hörgeschädigten Menschen die Kommunikation. Da die Masken den Mund komplett verdecken, können viele Gehörlose nicht erkennen, wenn sie jemand anspricht. Auch das Lippenlesen und die Kommunikation per Gebärdensprache wird durch das Tragen von Masken stark beeinträchtigt. Die Lösungen sind vielfältig, doch nicht immer praktikabel.

Als eine der Lösungen im Zusammenhang der Thematik, werden immer wieder transparente Masken ins Spiel gebracht. Dadurch sei immerhin das Mundbild eines Menschen zu sehen, sagen die Befürworter. So kann zumindest teilweise von den Lippen des Gesprächspartners abgelesen werden. Der Deutsche Gehörlosenbund empfiehlt solche Masken allerdings nur unter Vorbehalt. Unter anderem deshalb, weil das Sichtfenster durch die Atemluft schnell beschlägt. Auch Wolfgang Reiner, Vorsitzender des Landesverbands der Gehörlosen Baden-Württemberg und selbst gehörlos, sagt, dass die Maskenpflicht die Verständigungsprobleme zwischen Hörgeschädigten – von denen mehr als 37 000 in Baden-Württemberg leben – und Hörenden natürlich verschärft. Dort gebe es aber auch ohne Maske Probleme. Denn: Ein Gehörloser kann höchstens 30 Prozent des Gesagten über das Lippenlesen verstehen. Viel wichtiger sei die Gebärdensprache. Dabei sei eine Maske hilfreich, denn „Mundbild und Mimik sind wichtige Bestandteile der Gebärdensprache“, sagt Reiner. Ein Problem allerdings sei, dass der Mundausschnitt der Masken relativ klein sei. Deshalb benutzt er persönlich solche Masken nicht. „Ich weiß aber, dass manche Gehörlosen sie benutzen und hilfreich finden.“ Er selbst habe etwa beim Einkaufen keine Probleme, er gehe in seine Stammgeschäfte, wo ihn die Verkäufer und Verkäuferinnen kennen. Viel gehe dabei über nonverbale Kommunikation, sollte es einmal zu Problemen kommen, nähmen sie auch ihre Masken ab – natürlich unter der Berücksichtigung des Mindestabstandes. Auch auf die Lösung mit Visieren, die mancherorts zu sehen sind, kommt er zu sprechen. „Für manche Kommunikationssituationen kann so etwas vielleicht helfen“, sagt er dazu. Zudem gebe es Lösungen mit Papier und Stift, über das Eintippen auf dem Handy oder über Spracherkennungsapps, die Texte vorlesen können. Generell plädiere er dafür, dass jeder Grundkenntnisse in Gebärdensprache lernen sollte, um die Kommunikation untereinander zu ermöglichen.

Positiv findet er, dass Pressekonferenzen der Bundes- und Landesregierung mittlerweile untertitelt sind und auch Videochats für die Kommunikation eingerichtet wurden. Auch mit der Arbeit der Landeshauptstadt zu diesem Thema zeigt er sich zufrieden. So habe die Behindertenbeauftragte der Stadt, Simone Fischer bereits Anfang März Kontakt mit Reiners Verband aufgenommen. Auf der Stadthomepage ist die Seite des Gehörlosenverbandes verlinkt und es wurde eigens ein Informationsvideo in Gebärdensprache aufgenommen. „Die Stadt Stuttgart ist da schon gut aufgestellt“, sagt er.

Das bestätigt Simone Fischer: „Kommunikation ist eine Voraussetzung für Teilhabe. Gerade in diesen Zeiten müssen Informationen für alle nachvollziehbar und verständlich sein. Deshalb wurden die Dienststellen und Bezirksämter über die Amtsleitungen und Bezirksvorsteher und Bezirksvorsteherinnen zur besonderen Situation hörgeschädigter und gehörloser Menschen informiert“, sagt sie. Zudem sei sie in ständigem Austausch mit Behindertenverbänden aller Couleur – natürlich auch mit den Hörgeschädigten. Um diese auch bei Verwaltungsgängen zu unterstützen, wurden an den städtischen Stellen mit Publikumsverkehr, transparente Masken verteilt und auf Vorrat beschafft.

Auch beim Cannstatter Fon Institut, eine Institution der Spracherziehung und Sprachtherapie (auch mit Gehörgeschädigten), war man sich des Problems bewusst. Etwa bei der Logopädie ist das Mundbild der Lehrkraft für den Patienten unabdingbar. „In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat eine unserer Mitarbeiterinnen 18 durchsichtige Masken für uns genäht“, sagt Ariane Willikonsky, Leiterin des Fon Instituts. „Die habe ich aus Stoff und durchsichtiger Klarsichtfolie genäht“, sagt Anja Bettinger über ihre Privatproduktion. Vor allem die Logopädinnen des Teams sind damit bisher versorgt worden. Und die berichten allesamt positiv darüber. „Meine Patienten sind begeistert“, sagt Anna Gärtner. Die Handhabe sei aber nicht immer leicht, die Maske beschlage, es sei wärmer als normal und man bekomme schlechter Luft. „Wenn man sie regelmäßig putzt, ist es aber eigentlich kein Problem“, so Gärtner. Ähnliches berichtet Kathrin Schwandt. Deren Patienten sagen, dass es mit durchsichtiger Maske nicht mehr so anonym sei. Und der Ehepartner einer ihrer Patientinnen will direkt so eine Maske bei Anja Bettinger in Auftrag geben. Generell seien die Masken „wertvoll“ für ihre Arbeit, fasst Ariana Willikonsky zusammen. Denn: Die Schilde oder Visiere, bei denen das gesamte Gesicht sichtbar wären, dürfen bei der logopädischen Arbeit aufgrund des Gesundheitsschutzes nicht benutzt werden.