Die Queen und ihr Sohn Prinz Charles, der Thronfolger, gedenken bei der Trauerfeier in Westminster Abbey Prinz Philip. Foto: AFP/DOMINIC LIPINSKI

Seit Monaten sagt die Queen aus gesundheitlichen Gründen immer wieder Termine ab. Der Gedenkgottesdienst in Westminster Abbey für ihren verstorbenen Mann Prinz Philip lag ihr aber am Herzen wie sonst nichts. Sie waren seit 1947 verheiratet.

Royals aus dem In- und Ausland waren aufgezogen, um dem vor knapp einem Jahr verstorbenen Gemahl der Königin die volle Ehre zu erweisen, die sie ihm damals, wegen Covid, hatten schuldig bleiben müssen. Militärs, hohe Geistlichkeit, Honoratioren aller Art versammelten sich in Westminster Abbey. Auch der Premierminister Boris Johnson saß pflichtschuldigst auf dem ihm zugewiesenen Stuhl.

Sie kam durch den Seiteneingang

Für Queen Elizabeth II. war die Anwesenheit bei dieser Feier nicht nur eine Frage allgemeiner Erwartung, sondern ein ganz persönliches Bedürfnis. Die Beerdigung Philips auf Windsor Castle, bei der sie sehr verloren, maskiert und sozial distanziert dasitzen musste, hatte man ja auf ein zeremonielles Minimum reduziert damals. Umso wichtiger war es der Queen, beim Gedenken dieser Woche die Familie anzuführen und den fast 2000 Gäste durch ihre Präsenz zu danken.

Mit sichtlicher Mühe zwang sie sich an diesem Morgen zu ihrem roten Sessel vorn im Kirchenschiff – nicht durch das Haupttor wie sonst, sondern durch einen Seiteneingang, zur Verkürzung des Wegs.

Die Überraschung war groß: Die Queen kam mit Prinz Andrew

Begleiten ließ sie sich überraschenderweise von Prinz Andrew. Er war in der Folge ernster Vorwürfe sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen und der daraus resultierenden Gerichtsprozeduren aus der Öffentlichkeit verschwunden und darf nun keine formelle Rolle mehr spielen bei Hofe. Offensichtlich wollte die alte Dame deutlich machen, dass ihr zweitältester Sohn aber noch immer einen Platz an ihrer Seite hat.

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Sie selbst zog sich erneut Bewunderung zu, wie sie dasaß, entschlossen wie immer, und aufmerksam dem Ablauf der Feier folgte. Zeitweise stand sie frei, ohne den mitgebrachten Stock, was ihr nicht leichtfallen konnte. Denn wenige Stunden zuvor hatte man bei Hofe noch gar nicht sagen können, ob sie überhaupt in der Lage sei zu kommen.

Seit einem halben Jahr bleibt die Queen in ihren Schlössern

Erst kürzlich hatte die 95-Jährige bei einem kurzen Empfang von Armee-Stabschefs in Windsor eingeräumt, „dass ich mich nicht mehr richtig bewegen kann, wie Sie sehen“. Ihre Teilnahme an mehreren wichtigen Ereignissen, wie der jährlichen Kranzniederlegung am Krieger-Ehrenmal in Whitehall im vorigen November oder dem Commonwealth-Day-Gottesdienst in diesem Monat, hatte sie absagen müssen.

Dies waren Zeremonien, die ihr immer besonders wichtig waren und zu denen sie in der Vergangenheit nie gefehlt hätte. Mittlerweile ist sie aber in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Bevor sie am Dienstag in Westminster Abbey auftauchte, war sie fast ein halbes Jahr lang nicht mehr außerhalb ihrer Schlösser gesichtet worden.

Die Nachfolge wird schon geregelt

Ende letzten Jahres musste sie plötzlich eine Nacht im Krankenhaus verbringen. „Wiederkehrende Probleme mit der Mobilität“, hieß es, machten ihr zu schaffen. Und im Februar dieses Jahres zog sie sich Corona zu. Viel ist in den letzten Tagen davon die Rede, dass sich die Queen nach Windsor Castle, droben auf dem Hügel über der Themse im Westen Londons, zurückgezogen habe. In Buckingham Palace, der eigentlichen „Dienststelle“ der Monarchie, findet man sie nicht mehr.

Derweil sind längst Vorbereitungen im Gange, die gewährleisten, dass Prinz Charles, der Thronfolger, oder ein anderer der Royals kurzfristig für sie einspringt, wenn sie nicht mehr kann.

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Charles soll im Mai die traditionelle „Thronrede“ zur jährlichen Parlamentseröffnung in Westminster verlesen. Unterdessen helfen die jüngeren Royals wie Prinz William, der Nächste in der Thronfolge, schon jetzt bei Auslandsreisen aus.

Doch selbst da kündigen sich Umbrüche an, die ein Ende der „elisabethanischen Ära“ ahnen lassen. Bei ihrer Karibik-Tour stießen William und dessen Frau Kate auf lebhafte Proteste gegen eine nicht aufgearbeitete britische Kolonialgeschichte und fortwährende „Kronansprüche“. Als die Regierung Jamaikas den Besuchern aus London erklärte, Jamaika sei auf dem besten Weg, sich von der Monarchie zu verabschieden, meinte der Prinz dazu, ihm bereite es kein Kopfzerbrechen, wer eines Tages das Commonwealth führen werde – solange nur das Wohl des Commonwealth gesichert sei.

Zu den Zeiten, als Queen Elizabeth und ihr Philip noch die vielen bunten Reste des früheren Empire bereisten und sich bejubeln ließen, wäre ein solches royales Zurückstecken undenkbar gewesen.

Mit der Queen, so meinen betrübt britische Royalisten, verliere jetzt wohl auch die Krone zunehmend ihre frühere Kraft.