Britta Feuersinger, Heinz Morhad, Ralf Bohlmann, Werner Geissendörfer (v.li.) Foto: Hühn

In Mühlhausen hat der Bürgerverein zusammen mit Vertretern von Kirche und Gesellschaft eine Gedenktafel an der Veitskapelle enthüllt.

Bomben, Feuer, Zerstörung und viel Angst. Das erlebte Stuttgart im Zweiten Weltkrieg. Vor 80 Jahren wurde beim 9. Luftangriff auf Stuttgart in der Nacht vom 14. auf den 15. April Mühlhausen, Münster, Hofen und Teile von Bad Cannstatt getroffen. An die Schreckensnacht, in der es 617 Tote, 703 Verwundete, 8073 Obdachlose und 1335 zerstörte Häuser gab, hat nun der Bürgerverein Mühlhausen zusammen mit zahlreichen Vertretern aus Kirche und Gesellschaft sowie des Bezirks erinnert. Bei einer Gedenkfeier wurde eine Erinnerungstafel an der Mauer der Veitskapelle enthüllt. Gemeinsam wurde getrauert um die Opfer von Krieg und Gewalt, hier und weltweit unter allen Völkern. „Unsere Verantwortung gilt dem Frieden“, steht auf der Tafel.

Vor Angst schlotternd im Keller gesessen

Zeitzeugen erinnerten im Anschluss im Stallbesen von Fritz Raith, dem Ideengeber für die Tafel, an die „schlimmste Nacht meines Lebens“, wie etwa Horst Leutenecker. Er berichtete, wie er kurz nach ein Uhr mit seinen zwei Geschwistern von den Eltern aus dem Bett geholt wurde und vor Angst schlotternd im Keller saß, während es „wütendes Schießen der Flak“ gab und gellendes Pfeifen der Bomben. „Wir saßen im dunklen Keller bei weiterhin ohrenbetäubendem Lärm von explodierenden Granaten, pfeifenden Bomben, Detonationen von Bomben, prasselndem Feuer und zusammenstürzenden Häusern. Es war das, was man ein Inferno nennt“, so Leuteneckers Aufzeichnungen. Als es die Familie nach draußen schaffte, sah sie die Eybgasse „glutrot von den rundherum brennenden Häusern erleuchtet. Keines der Häuser stand mehr.“ Vor ihrem Haus war eine Luftmine niedergegangen. Sie hatten überlebt. Die Nachbarn waren alle tot. Der tiefe Keller hatte sie gerettet. „Wir hatten unsere gesamte Habe verloren.“ Doch Hilfe sei von allen Seiten gekommen. Verwandte und Bekannte schenkten ihnen Kleidung und Gebrauchsgegenstände.

„Es war das, was man ein Inferno nennt“

Die Veitskapelle ist in letzter Minute noch gerettet worden. Durch beherztes Eingreifen von Berta Tafel, die auf den Brand im Dachstuhl aufmerksam gemacht hatte, und den Pfarrerskindern sowie der Tochter vom Mesner und einigen Leuten vom Sicherheits- und Hilfsdienst wurde ein Abbrennen der Veitskapelle verhindert. Sie konnten das Feuer gerade noch löschen, bevor ein noch größerer Schaden entstanden wäre. Ganz besonders getroffen hingegen wurde damals bei dem Bombenhagel das Bauerngehöft Raith, das von einer Luftmine komplett zerstört wurde. Auf der Erinnerungstafel ist ein Bild zu sehen, auch von den Überresten des Gasthauses Lamm. In dem Bereich waren die meisten Toten und Verletzten.

Bilder der Zerstörung im Ortsarchiv Mühlhausen

Ein genauer Vergleich, was zerstört wurde, ist übrigens gerade in Mühlhausen bis heute möglich, weil zufällig am 14. April 1943 Walter Supper vom Stadtplanungsamt 72 Fotos dort gemacht hatte. Kurze Zeit vor dem Bombenangriff. Die Bilder aus der heimatkundlichen Sammlung von Fritz Frank sind im Ortsarchiv von Mühlhausen, welches der Bürgerverein betreut. Dort sind auch die Aufzeichnungen des 17-jährigen Pfarrersohns Reinhold Schreiber, der die Erlebnisse des Bombenangriffs von 0.45 Uhr bis 1.50 Uhr in einem Brief an seinen Vater schildert.

Er beschreibt, dass der Tag heiß und wolkenlos war und es dreimal eine Warnung vor feindlichen Flugzeugen gegeben hatte. Nachts hätten dann die Sirenen geheult. Dann habe es Flugzeuglärm gegeben. Die Menschen flohen in die Luftschutzkeller. Ganz unbeschadet ist die Veitskapelle nicht geblieben: Durch den Luftdruck der Explosion sei das ganze Süddach der Veitskapelle abgedeckt worden und die Fenster aus den Fassungen gerissen.