100 Menschen erinnerten am Samstag an die Opfer des NS-Terrors in der Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ am Stuttgarter Nordbahnhof. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Unter dem Motto „Erinnern. Gedenken. Kämpfen“ hat ein Bündnis aus Mauthausen-Komitee und „Zusammen kämpfen Stuttgart“ in Stuttgart der Opfer des Nationalsozialismus gedacht und vor unreflektiertem Patriotismus gewarnt.

Stuttgart - Menschen haben Blumen niedergelegt. Am Eingang zur Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ im Stuttgarter Norden sind ein Kranz, bunte Steine und Bilder mit Friedenstauben zu sehen. „We remember“ steht dabei. Wir erinnern uns. Es sind Dinge, die anlässlich des Jahrestags der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 77 Jahren abgelegt wurden.

Ein Angebot an die Stuttgarter

Auch in Stuttgart hat das Grauen für Tausende Menschen seinen Anfang genommen. Am inneren Nordbahnhof sind zwischen 1941 und 1945 Züge nach Riga, nach Theresienstadt, nach Izbica und auch nach Auschwitz gestartet. Von etwa 2500 Menschen, vorwiegend Juden sowie Sinti und Roma aus dem Durchgangslager Killesberg, spricht Peter Wolf vom Bündnis aus Mauthausen-Komitee und „Zusammen kämpfen Stuttgart“, das am Samstag dort eine Gedenkveranstaltung ausgerichtet hat, Motto: „Erinnern. Gedenken. Kämpfen“. Ein Angebot an die Stuttgarter, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Er sagt: „Der Holocaust ist nicht nur in Auschwitz passiert, sondern direkt vor der Haustür.“

Warnung vor neuem Faschismus

Etwa 100 Menschen haben dieses Angebot angenommen. Sie hören Redebeiträge von Elke Banabak, der Geschäftsführerin der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, und von Erhard Korn, dem Vorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg. Er erinnert an den blanken Horror, der sich in den Konzentrationslagern abgespielt hat, aber auch „in Vaihingen/Enz, wohin Ende 44 einige Auschwitz-Häftlinge für die Rüstungsproduktion gebracht wurden, in Sachsenheim, Leonberg, im Engelbergtunnel, Stuttgart, wo KZ-Häftlinge Bombentrümmer beseitigen mussten. Auschwitz war am Ende des Krieges überall“. Umso mehr missbilligt er eine Relativierung des Holocaust. „Auf den Straßen sieht man heute wieder Judensterne am Revers“, sagt er mit Blick auf die Querdenkerbewegung, auch warnt er vor einem neuen Faschismus, der aus der Mitte der Gesellschaft komme. Er „tritt nicht auf als Marschkolonne der SA, sondern in den sozialen Medien, nicht mit dem Ruf nach der Endlösung, sondern als Verteidiger der Demokratie“.

Bewusst ein Zitat von Max Horkheimer

Auch beim Bündnis, das die Kundgebung an diesem Tag ausrichtet, sieht man solche Tendenzen. Peter Wolf spricht von einem Rechtsruck, von neuem Patriotismus. Bewusst habe man daher für die Zusammenkunft ein Zitat des Sozialphilosophen Max Horkheimer gewählt. „Nirgendwo in zivilisierten Ländern ist so wenig Grund zum Patriotismus wie in Deutschland, und nirgendwo wird von den Bürgern weniger Kritik am Patriotismus geübt als hier, wo er das Schlimmste vollbracht hat.“