Anlagen der Nordstream 1-Pipeline in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern. Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

Seit dem Frühjahr konnte sich der niedrige Stand der Gasspeicher etwas erholen. Doch damit ist es wegen der Schließung einer wichtigen Pipeline aus Russland jetzt vorbei.

Noch nie sind die Werte über den Füllstand der deutschen Gasspeicher ein solches Politikum gewesen. Und wenn es den Ukraine-Krieg nicht gäbe, bestünde auch keinerlei Anlass zur Beunruhigung. Mit einem aktuellen Stand von knapp 63 Prozent liegt der Pegel fast exakt im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre – und sogar deutlich über dem Wert des Jahres 2021, wo die Speicher noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt waren.

Aktuell sieht es laut Bundesnetzagentur auch besser aus als in den Jahren 2015, 2017 und 2018. Wer also allein bis zum Jahr 2020 zurückblickt und seither einen stetig rückläufigen Trend der Reserven ausmacht, sieht die Sache also etwas zu pessimistisch.

Eine leichte Entlastung beim Gasverbrauch haben in diesem Jahr zudem die etwas höheren Temperaturen als im Vorjahr gebracht. Zudem hat der Pegel nach einem deutlich unterdurchschnittlichen Stand Anfang des Jahres ein ganzes Stückweit aufgeholt.

Die Nordstream-Kappung ist spürbar

Und dennoch: Deutschland könnte beruhigter in den Winter gehen, wenn der teilweise auch coronabedingt hohe Puffer des Jahres 2020 erreicht wäre, wo Anfang Juli fast 90 Prozent der Speicherkapazität erreicht waren. Doch der seit Mitte März anhaltende, stetige Anstieg der Vorräte ist nun wegen der Stilllegung der Pipeline Nordstream 1 aus Russland massiv verlangsamt worden. Täglich sind bisher zwischen 0,2 und 0,6 Prozentpunkte dazugekommen.

Diese Entwicklung dürfte so nicht weitergehen. „Die Lage ist angespannt und eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden. Die Gasversorgung in Deutschland ist im Moment aber stabil“, fasst die Bundesnetzagentur die Situation aktuell zusammen.

Andere Länder können nicht kompensieren

Der tendenzielle Anstieg der Lieferungen aus Norwegen sowie aus den Niederlanden und Belgien kann nämlich den russischen Ausfall, von dem unklar ist, wie lange er dauert, nicht kompensieren. Im Vergleich zu Mitte Mai sind die deutschen Gasimporte zurzeit etwa ein Viertel verringert.

Bei der Preisentwicklung ist dies klar bemerkbar. Einen weiteren deutlichen Preisschub hat es aber zuletzt nicht gegeben, sondern die Gaspreise haben sich auf einem hohen Niveau eingependelt. Dennoch ist der Preisschub seit Beginn der Krise massiv. Je weiter die Lieferungsoption in die Zukunft reicht umso drastischer. Bei tagesaktuellen Lieferungen liegt der Anstieg laut Bundesnetzagentur zurzeit bei 110 Prozent, bei Optionen für Lieferungen für 2023 bei 190 Prozent. Auch die Händler rechnen also klar mit einer weiteren Zuspitzung der Lage.