Die Vorsitzenden der Expertenkommission zur Gaspreisbremse: die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, und der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm (von links) Foto: /Jürgen Heinrich

Die Expertenkommission schlägt eine rasche Einmalzahlung an alle privaten Gaskunden vor. Ab März soll es ein subventioniertes Verbrauchskontingent geben, für die Industrie sogar schon etwas eher. Es geht um Ausgaben von rund 90 Milliarden Euro.

Private Haushalte können noch in diesem Jahr mit einer substanziellen Entlastung bei den stark gestiegenen Gaskosten rechnen. Die unabhängige Expertenkommission, die im Auftrag der Bundesregierung ein Modell für eine Gaspreisbremse erarbeitet hatte, legte am Montag einen Zwischenbericht vor. Die Fachleute empfehlen eine Einmalzahlung im Dezember. Die eigentliche Preisbremse soll 2023 greifen. Auch für Industriebetriebe gibt es konkrete Vorschläge. Ein Überblick.

Was schlagen die Fachleute für Privathaushalte vor?

Hier ist ein zweistufiges Vorgehen geplant: Zunächst soll der Staat im Dezember die Abschlagszahlungen sämtlicher privater Erdgas- und Fernwärmekunden übernehmen. Das gilt auch für kleinere Gewerbebetriebe. Um Manipulationen auszuschließen, erfolgt die Berechnung auf der Basis des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung des Monats September zugrunde gelegt wurde. „Der Gaskunde selbst muss nichts tun“, betonte am Montag die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die der Kommission gemeinsam mit Industriepräsident Siegfried Russwurm und dem Chef der Energiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, vorsitzt. Die Abrechnung soll über Hausverwalter und Energieversorger erfolgen. Die Versorger bekommen das Geld vom Staat erstattet. Die Einmalzahlung in Höhe eines vollen Abschlags soll die Verbraucher in den Monaten Dezember, Januar und Februar entlasten. Eine einzelne Zahlung ist einfacher zu handhaben als drei anteilige. Der Rabatt soll bei der Steuererklärung als geldwerter Vorteil angegeben werden, wobei sich die Kommission für hohe Freibeträge ausspricht. Vom 1. März an soll dann die zweite Stufe der Entlastung greifen – die eigentliche Preisbremse für Gas und Fernwärme.

Wie funktioniert die Preisbremse für Privatkunden?

Private Gaskunden und Gewerbetreibende sollen ein stark subventioniertes Grundkontingent erhalten. Und zwar in Höhe von 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung von September 2022 zugrunde gelegt wurde. Für diese Menge soll der Staat einen Gaspreis von 12 Cent brutto pro Kilowattstunde garantieren. Für den Verbrauch, der über dieses Kontingent hinausgeht, würde der reguläre Arbeitspreis des Versorgers fällig. Für Fernwärmekunden soll der garantierte Bruttopreis innerhalb des Kontingents bei 9,5 Cent je Kilowattstunde liegen. Die Erdgaspreise sind im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Höhe geschossen. Für Neukunden kostet eine Kilowattstunde Gas derzeit im Mittel 28,3 Cent. Vor einem Jahr waren es 6,8 Cent. Viele Privatkunden beziehen aber immer noch günstig Gas, weil sie lang laufende Verträge mit Preisgarantie haben. In diesen Fällen soll der Staat gleichwohl die Abschlagszahlung im Dezember übernehmen. Die Preisbremse aber käme nicht zwingend zur Anwendung. Russwurm sagte: „Wer einen Gaspreis hat von 11 Cent, der kriegt nix, weil der Referenzpreis bei 12 Cent liegt.“ Gas dürfte trotz der Bremse für die meisten Kunden teurer bleiben als vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – womöglich auf Dauer.

Wie funktioniert die Gaspreisbremse für die Industrie?

Industrieunternehmen haben mit den Gashändlern individuelle Verträge abgeschlossen. Die Kommission schlägt vor, dass Unternehmen, die mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas pro Jahr verbrauchen, ebenfalls ein subventioniertes Grundkontingent erhalten sollen – in diesem Fall bereits von Januar 2023 an. Das Kontingent soll bei 70 Prozent des Jahresverbrauchs 2021 liegen, wobei die Kommission empfiehlt, einen Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde festzulegen. Darauf kommen noch variable Bestandteile, die je nach Vertrag und Anbieter unterschiedlich sind. Russwurm sagte, unterm Strich entspreche der Beschaffungspreis von 7 Cent für Industriekunden dem Bruttopreis von 12 Cent für Privatkunden. Für den weitergehenden Verbrauch würde der Marktpreis fällig. Rund 25 000 Firmen kommen für dieses Programm infrage. Die Unternehmen sollen ihre Teilnahme bei ihrem Versorger anmelden und öffentlich machen. „Die Förderung ist an den Standorterhalt und eine Transformationsperspektive gebunden“, heißt es im Bericht.

Was kostet das alles?

Für die Einmalzahlung an Privathaushalte und Gewerbetreibende rechnen die Fachleute mit Kosten in Höhe von fünf Milliarden Euro. Die Gaspreisbremse für diesen Kundenkreis soll den Berechnungen zufolge dann 60 Milliarden Euro kosten, die für die Industrie 25 Milliarden. Diese Zahlen beziehen sich auf die gesamte Laufzeit vom Jahreswechsel 2022/2023 bis Ende April 2024. Das Geld soll aus dem jüngst beschlossenen „Abwehrschirm“ kommen, in dessen Rahmen die Bundesregierung neue Schulden im Umfang von bis zu 200 Milliarden Euro aufnehmen will.

Welche Reaktionen gibt es – und was sind die nächsten Schritte?

Die Regierung werde sich jetzt „sehr zügig“ an die Umsetzung machen, sagte ein Sprecher. Die Expertenkommission will noch bis Ende Oktober weiterarbeiten und unter anderem Vorschläge dazu entwickeln, wie Erdgas aus der Stromproduktion gedrängt werden kann. Während aus der Wirtschaft am Montag viel Zustimmung zu dem nun präsentierten Konzept kam, äußerten die Verbraucherzentralen Kritik: Statt bei der Einmalzahlung die Gießkanne zu benutzen, sollte der Staat die Hilfen besser nach dem Einkommen staffeln.