Der Bestand der Blaumeise ist relativ stabil. Als Höhlenbrüter freut sie sich über Nistkästen, die in Gärten aufgehängt werden. Foto: Sandra Hintermayr

Am zweiten Maiwochenende ruft der Nabu zur Zählung der Gartenvögel auf. Das Monitoring soll helfen, einen Überblick über Arten und Anzahl zu erlangen. Ein Experte berichtet, welche Vögel es auf den Fildern immer schwerer haben – und welche profitieren.

Die Mehlschwalbe hat es schwer. Zwar ist sie, ebenso wie zum Beispiel der Mauersegler, ein Gebäudebrüter, der in der Stadt eigentlich gut zurechtkommt. Fassaden, an denen die Schwalbe Nester bauen kann, gäbe es genug. Doch sie braucht lehmige Pfützen, um aus dem Lehm Kügelchen zu formen, mit denen sie ihr Nest zimmert, sagt Michael Eick, Leiter der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg. Werden die Frühjahre immer trockener, gibt es kaum noch Pfützen, zum Beispiel auf unebenen Feldwegen. Werden die Feldwege asphaltiert, bilden sich gar keine geeigneten Pfützen mehr.

Auf die kleine Schwalbe lauern viele Gefahren

Greifvögel, Extremwetter, aber auch Spritzmittel, die mit Flugzeugen ausgebracht werden, sind eine Gefahr für die kleine Schwalbe. Laut Naturschutzbund (Nabu) ist ihr Bestand im Siedlungsraum in Deutschland zwischen 2006 und 2018 um 4,7 Prozent pro Jahr gesunken. Die Zahlen stammen aus der Auswertung der Stunde der Gartenvögel, bei der Bürger Vögel zählen und die Daten an den Nabu weitergeben. Auch die Staatliche Vogelschutzwarte spricht von einem deutlichen Bestandsrückgang seit vielen Jahren.

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Hat die Mehlschwalbe es aus ihrem Winterquartier in Afrika zurück nach Deutschland geschafft und ein Nest gebaut, heißt das aber noch nicht, dass sie ihre Brut aufziehen kann. „Es gibt leider immer wieder Menschen, die Schwalbennester an Gebäuden entfernen“, sagt Michael Eick. Das aber ist laut Bundesnaturschutzgesetz verboten und kann mit einem bis zu vierstelligen Bußgeld geahndet werden.

Insektenschwund und Landwirtschaft wirken sich auf Populationen aus

Um ihre Brut zu füttern, braucht die Mehlschwalbe, so wie die meisten anderen Wald- und Gartenvögel, Insekten. Die allerdings werden immer weniger. „Das schlägt sich dann auch auf die Vogelpopulationen durch“, sagt Michael Eick. Verschwinden die Insekten, verschwinden irgendwann auch die Insektenfresser.

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Für andere Arten, vor allem Bodenbrüter, stellt außerdem die intensive landwirtschaftliche Nutzung ein Problem dar. Es fehlen deckungsreiche Freiflächen zum Brüten, Felder und Wiesen werden oft geerntet und gemäht. „Die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft in Verbindung mit dem Pestizideinsatz, Flurbereinigungsmaßnahmen, häufigem Fruchtfolgewechseln ohne Brachestadien und engen Mahdabständen zeigen insbesondere bei den Feldvögeln beziehungsweise Bodenbrütern einen sehr starken Bestandsrückgang“, sagt Tatjana Erkert, Sprecherin der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), nach Rücksprache mit der Staatlichen Vogelwarte. Grauammer, Kiebitz, Feldlerche, Braunkehlchen und Rebhuhn tun sich schwer.

Für das Rebhuhn wird auf den Fildern viel getan

Es gibt allerdings auch positive Trends. So wird dem Rebhuhn auf den Fildern Lebensraum zurückgegeben. Michael Eick nennt die Ausgleichsflächen für den Bau der Landesmesse als Beispiel. „Unweit von Messe und Flughafen brütet das Rebhuhn.“ Auch von Blühstreifen profitieren viele Vogelarten – denn in ihnen finden sie Insekten als Nahrung und Deckung zwischen den Halmen.

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„Es ist ein komplexes Problem“, sagt Michael Eick über die Gründe, die Vogelpopulationen schrumpfen lassen. Insektenschwund, Klimawandel, Lebensraumverlust und die Gefahr durch Katzen können ebenso dazu beitragen wie Gebäude mit großen Glasfassaden oder Windkraftanlagen, mit denen die Vögel kollidieren.

Der Trend sei bei vielen Arten allerdings stabil, „oder sogar positiv“, sagt Michael Eick. Ein Grund dafür ist, dass sich manche Vogelart zunehmend in Siedlungsgebieten ausbreitet. Beispiel Eichelhäher: Dieser ist eigentlich ein klassischer Waldbewohner, der sich aber zunehmend auch in Parks und Gärten wohlfühlt. „Er hat den Sprung vom Lebensraum Wald in den Lebensraum Stadt geschafft“, sagt Michael Eick. Die Amsel sei ein weiteres Beispiel dafür. Auch sie ist eigentlich ein Waldvogel, aber heutzutage aus den Gärten nicht mehr wegzudenken.

Viele Arten schafften den Sprung vom Wald in die Stadt

Auch Buntspecht und Ringeltaube kommen in Siedlungsgebieten gut zurecht. „Die Ringeltaube zeigt eine deutliche Bestandszunahme sowohl im 25-, als auch im zwölfjährigem Trend“, sagt Tatjana Erkert. Auf den Fildern, sagt Michael Eick, sei auch der Feldsperling noch recht prominent. „Er profitiert unter anderem von aufgehängten Nistkästen.“ Die werden auch von anderen Höhlenbrütern wie Meisen gerne genutzt.

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Überhaupt kann man mit wenig Aufwand viel für die heimische Vogelwelt tun. „Man kann in Gärten viele Mikrohabitate anlegen“, erklärt Michael Eick. Zu gepflegte Gärten lieferten keine guten Bedingungen für Vögel, weil sie weder Rückzugsorte noch viele Insekten böten. Stattdessen könne man etwa Reisighaufen als Versteck für den Zaunkönig anlegen oder alten Baumbestand stehen lassen, in dem Spechte brüten können. Selbst Löwenzahn blühen zu lassen, hilft der Vogelwelt. „Der Stieglitz, auch Distelfink genannt, frisst die Samen des Löwenzahns, ebenso wie Sonnenblumenkerne und Distelsamen“, sagt Michael Eick.

„Strukturvielfalt, auch in Gärten und Parks, erhöht folgerichtig die Biodiversität. Blühpflanzen erhöhen das Nahrungsangebot entweder über Insekten oder deren Sämereien“, ergänzt Tatjana Erkert. Einheimische und fruchttragende Sträucher seien gerade im Herbst und Winter eine weitere wichtige Nahrungsquelle. Neben Mikrohabitaten, die auch den Nahrungsinsekten dienen, seien Futterstellen und Vogeltränken beziehungsweise Teiche eine weitere Möglichkeit, der heimischen Vogelwelt zu helfen.

Stunde der Gartenvögel

Zählung
Bei der Stunde der Gartenvögel, die dieses Jahr vom 13. bis 15. Mai stattfindet, sind alle Naturfreunde aufgerufen, alle Vögel zu zählen, die in einer Stunde an einem festen Ort, also zum Beispiel im Garten oder vom Balkon aus, beobachtet werden. Bürger können so mithelfen, schleichende Veränderungen in den Populationen zu dokumentieren.

Häufige Arten
Vor allem in naturnahen Gärten, aber auch in dichter besiedelten Wohngebieten kommt eine Vielzahl an Vogelarten vor. Zu ihnen gehören Amseln, Kohl- und Blaumeisen, Sperlinge, Stare, Elstern, Buch- und Grünfinken, Rotkehlchen, Ringel- und Türkentauben, Rauch- und Mehlschwalben sowie Mauersegler.

Infos
Mehr Informationen zur Stunde der Gartenvögel sowie Hilfestellungen bei der Vogelbestimmung stehen unter www.nabu.de und www.stundedergartenvoegel.de. Die Akademie für Natur- und Umweltschutz bietet regelmäßig Veranstaltungen und Exkursionen an, mehr dazu steht unter www.umweltakademie.baden-wuerttemberg.de.