Renate Gummer ist seit mehr als 60 Jahren die Blumenfrau vom Esslinger Charlottenplatz. Foto: Johannes M. Fischer

Das Leben muss ja weitergehen“, ist einer der Sätze, der in diesen Tagen häufig fällt. „Was das wohl mit uns macht“, ein anderer.

Bad Cannstatt - Das Leben muss ja weitergehen“, ist einer der Sätze, der in diesen Tagen häufig fällt. „Was das wohl mit uns macht“, ein anderer. Auch der Satzteil „in diesen Tagen“ steht weit oben im Ranking der Wortbotschaften, mit denen sich die Leute trotz „eingeschränkter Sozialkontakte“ immer noch verständigen. Die Cannstatter Zeitung und Untertürkheimer Zeitung möchte ein neues Wort hinzufügen, das sie in den kommenden Wochen wiederholt gebrauchen wird: „Gartenzeit!“ Unter diesem Stichwort lesen Sie, liebe Leserinnen und Leser, sowohl online als auch auf Papier bis in den April hinein in regelmäßigen Abständen Geschichten zum Thema Garten. Im Mittelpunkt stehen Gartentipps, angereichert mit größeren Storys, die über das Ursprungsthema hinausreichen. In den Gartengeschichten thematisieren die CZ/UZ-Reporter unter anderem Fragen der Ökologie, der Ästhetik und der Gesundheit.

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Der Garten ist den Menschen in den Neckarvororten vieles: Ganz gewiss ein Ort der Erholung und Entspannung. Was „in diesen Tagen“ ja auch dringend benötigt wird. Der Garten ist der Ort, in dem sich das Zwitschern der Vögel und das Summen von Insekten in seelenheilende Momente verwandeln können. Der Garten weckt Lebensgeister und macht Menschen produktiv: Sie pflanzen an, pflegen das Blumen- und Gemüsebeet, ernten. Und es wird wie in all den Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor ein sozialer Ort sein, denn Großveranstaltungen finden hier eher selten statt. Kaffee und Kuchen im kleinen Kreis, die Gartenschere in Griffweite. All das ist noch nicht da, aber jeder, der einen Garten hat, einen Blumenkasten auf den Balkon oder einfach nur gern im Grünen spazieren geht, weiß: Es wird kommen. Die ersten Vorbereitungen dazu sind schon im Gange.

Bevor es blüht, gibt es – gerade in diesen emotionsaufgeladenen, aber sozial abgedimmten Zeiten – eine schöne Form der Überbrückung: Der Blumenstrauß. Den gibt es an vielen Ecken der Stadt. Ein besonders romantischer Blumenladen, aufgeladen mit Atmosphäre und Tradition, steht am Esslinger Charlottenplatz. Ein Pavillon, der die Selbstverständlichkeit von sechs Jahrzehnten mit sich bringt, an diesem Ort der Blumenladen zu sein. 63 Jahre ist es tatsächlich her, dass die damals 19-jährige Renate Gummer nach Esslingen kam und in dem Pavillon eine Anstellung als Blumenverkäuferin bekam. Viele Jahre später gründete die Tochter Susanne Wengert ein Unternehmen und übernahm den Laden. Auch das ist inzwischen mehr als ein viertel Jahrhundert her. Wer heute dort vorbeischaut, um Blumen zu kaufen oder Gestecke für ein Fest zu bestellen, trifft mit etwas Glück beide an.

Neuer Trend Natürlichkeit

Seitdem hat sich einiges geändert. Vieles war früher weniger selbstverständlich. Das Sortiment ist inzwischen sehr viel größer. Es gab keine Rosen im Winter. Heute heißt der Trend Natürlichkeit. Gerade Jüngere kämen mit diesem Wunsch. „Meinen Sie, es soll aussehen, als sei der Strauß gerade von der Wiese oder aus dem Garten gepflückt worden?“, fragt Susanne Wengert eine Kundin. „Ja, genau!“, antwortet sie.

Manche Trends kommen und gehen. Nelken waren vor Jahrzehnten groß in Mode. Sie verschwanden nie, traten aber etwas hinter anderen Sorten zurück. Inzwischen sind sie wieder im Kommen. Auch bei jungen Blumenkäufern.

Die Sonne und der kommende Frühling belebt in der Regel das Geschäft, aber eine gewisse Traurigkeit lag am Wochenende über dem gesamten Landkreis und der Stadt und schlich sich auch in den Blumenpavillons am Charlottenplatz. Überall gibt es fast nur noch ein Thema. Weil der Blumenladen so etwas wie ein sozialer Treffpunkt ist, beherrscht es auch die Gespräche an diesem Ort, wo es so gut nach Blumen riecht.

Die Sonne wird aber wieder durchbrechen. Sie macht ihr wärmendes Geschäft schon seit mehr als vier Milliarden Jahren und erhellt auch die Gemüter. Menschen profitieren davon seit 300 000 Jahren. Das Leben eines Schmetterlings dauert nur wenige Monate. Und doch kommt er immer wieder. Wir werden ihm bald begegnen. Die Gartenzeit steht vor der Tür.

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