Joe Biden, Präsident der USA, verlässt bei der Ankunft zum G20-Gipfel am Ngurah Rai International Airport die Air Force One. Foto: dpa/Made Nagi

Die Kulisse: Sonne, Strand und Meer. Die Themen: Krieg, Hunger und Inflation. Die wichtigsten Wirtschaftsmächte kommen auf der Urlaubsinsel Bali zu einem Krisengipfel zusammen. Doch der G20 ist so zerstritten wie nie. Darum geht es inhaltlich.

– Das Wort Krieg ist auf der Tagesordnung des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali nicht zu finden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, für viele der Teilnehmer das wichtigste Thema, versteckt sich hinter der Überschrift „Ernährungs- und Energiesicherheit“. Gleich in der ersten Arbeitssitzung am Dienstag wird darüber geredet.

Mit US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sitzt dann auch der russische Außenminister Sergej Lawrow am Tisch, der seinen Präsidenten Wladimir Putin vertritt. Ob am Ende etwas dabei herumkommt, ist offen.

Wer gehört zur „Gruppe der 20“?

Die Europäische Union und 19 führende Wirtschaftsmächte aller Kontinente: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA. Zusammen repräsentieren sie knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung, stehen für vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft und betreiben drei Viertel des Welthandels.

Warum gibt es die Gipfel?

Die G20 wurde 1999 zur internationalen Abstimmung in Finanz- und Wirtschaftsfragen gegründet. Zunächst trafen sich nur die Finanzminister und Notenbankchefs. 2008 wurden die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs ins Leben gerufen, um die damalige Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Inzwischen beschäftigt sich die G20 aber auch mit vielen anderen globalen Themen von der Terrorbekämpfung über den Klimaschutz bis zur Pandemiebekämpfung. Und nun auch mit einem Krieg.

In den Anfangsjahren ließ sich einigermaßen ausblenden, wie unterschiedlich die Gemeinschaft eigentlich ist: zusammen mit demokratisch gewählten Staats- und Regierungschefs sitzen dort seit jeher auch Könige und Autokraten zusammen. Heute ist deutlich wie nie, welch unterschiedliche Sicht sie auf Demokratie, Völkerrecht und Menschenrechte haben.

Warum ausgerechnet im Urlaubsparadies Bali?

Darüber entscheidet stets der Gastgeber. Logistische Fragen spielen bei der Wahl des Veranstaltungsorts eine Rolle: Gibt es genug Hotelzimmer? Ist ein größerer Flughafen in der Nähe? Kann das Veranstaltungsgelände gut abgeschirmt werden?

Für die indonesische Regierung, die wohl noch nie so viel Polit-Prominenz zu Gast hatte, dürfte es aber auch darum gehen, sich von der besten Seite zu präsentieren. Sie nutzt den luxuriösen Ferienort Nusa Dua im Süden der „Insel der Götter“ schon lange als Konferenzort.

Sind diesmal alle Staats- und Regierungschefs dabei?

Nein. Der russische Präsident Wladimir Putin hat knapp eine Woche vor Beginn des Gipfels abgesagt – nach einer Niederlagenserie im Angriffskrieg gegen die Ukraine, die vergangene Woche im Abzug aus der strategisch wichtigen Stadt Cherson gipfelte. Putin hat seinen Außenminister Sergej Lawrow geschickt, der bereits am Sonntag auf Bali eintraf.

Außerdem nicht dabei: Der mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador, der sich ebenfalls von seinem Außenminister vertreten lässt. Unklar war zuletzt noch, ob sich der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro trotz seiner Abwahl beim G20-Gipfel blicken lässt.

Ist die Ukraine eingeladen?

Ja. Der Gastgeber hat die Möglichkeit, Gastländer einzuladen. Die Wahl des indonesischen Präsidenten Joko Widodo fiel unter anderem auf die Ukraine. Präsident Wolodymyr Selenskyj wird aber nur per Videoschalte teilnehmen.

Warum setzt sich der Westen überhaupt mit Russland an einen Tisch?

Er will demonstrieren, dass er die verbale Auseinandersetzung mit Russland nicht scheut. Man werde es nicht zulassen, dass das G20-Mitglied Russland das wichtige Forum für globale Fragen und Probleme zerstört, lautet die Devise. Stattdessen will man Russland aufzeigen, dass es international weitestgehend isoliert ist.

Welche Verbündeten hat Russland in der G20?

Vor allem China. Aber auch Indien und Südafrika haben in der UN-Vollversammlung nicht für eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gestimmt, sondern sich enthalten. An der Bevölkerungszahl gemessen ist diese Fraktion in der G20 sogar größer als die derjenigen, die den Einmarsch verurteilt haben.

Wird es eine gemeinsame Abschlusserklärung geben?

Das ist offen. Bei umstrittenen Themen wird derzeit darüber verhandelt, ob die unterschiedlichen Sichtweisen gegeneinander gestellt werden könnten. So könnte zum Beispiel festgehalten werden, dass zahlreiche G20-Mitglieder Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als illegal ansehen und ihn verurteilen. Anschließend würde dann die Sichtweise Russland vermerkt. Eine Erklärung ohne Zustimmung Russlands zu veröffentlichen - also ein 19 zu 1 - wäre aus westlicher Sicht wünschenswert, bei Russlands Verbündeten aber eher nicht durchsetzbar.

Was erhofft sich Bundeskanzler Olaf Scholz?

Er hofft darauf, dass es zumindest ein Bekenntnis aller gibt, keine Nuklearwaffen einzusetzen. Damit will Scholz den russischen Drohungen mit einem Atomschlag im Ukraine-Krieg begegnen. China hat er bei seiner Peking-Reise vor gut einer Woche schon mit ins Boot geholt.

Wer oder was könnte beim Gipfel noch eine Rolle spielen?

Jemand, der etliche tausend Kilometer entfernt ist. Ex-Präsident Donald Trump hat für Dienstag - am ersten G20-Tag - eine „sehr große Mitteilung“ angekündigt. Der 76-jährige Republikaner dürfte an diesem Tag eine erneute Kandidatur für die Präsidentenwahlen 2024 öffentlich machen. Das wird auf Bali nicht nur Biden und seine Delegation interessieren.

Welches Thema spielen Hunger und Armut?

Vor dem G20-Gipfel auf Bali forderte die Entwicklungsorganisation Oxfam Maßnahmen der reichen Industrieländer gegen eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Einkommensschwache Länder müssten entschuldet, Übergewinne auf krisenbedingte Profite von Konzernen sowie sehr hohe Privatvermögen müssten stärker besteuert werden, erklärte die Entwicklungsorganisation am Montag in Berlin. Sie forderte auch deutlich mehr Unterstützung für hungerleidende Menschen.

Die G20 müssten dem skandalösen Widerspruch zwischen der dramatisch steigende Anzahl an Menschen, die von Hunger und Armut betroffen sind einerseits und den sprudelnden Krisengewinnen von Milliardären andererseits etwas entgegensetzen. Corona-Pandemie, Konflikte und Klimakrise verschärften weltweit Hunger und Armut. In Ostafrika drohe aufgrund einer Dürre von historischem Ausmaß alle 36 Sekunden ein Mensch an Hunger zu sterben.