Bundestrainer Joachim Löw äußert sich in Frankfurt zu seiner Entscheidung, im Sommer beim DFB aufzuhören. Foto: dpa/Thomas Boecker

Der Noch-Bundestrainer erklärt seinen Rücktritt im Sommer auch mit Blick auf die Heim-EM 2024, bei der er einer Erneuerung nicht im Weg stehen wolle. Bei der EM in diesem Jahr plant der Bundestrainer ein letztes Hurra – mit Thomas Müller und Mats Hummels?

Frankfurt/Stuttgart - Fritz Keller eröffnete als Verbandschef standesgemäß die illustre Runde am Donnerstag, und der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) war es damit auch, der den Takt vorgab bei dieser Pressekonferenz in Frankfurt, bei der es um die Rücktrittsverkündung des Bundestrainers Joachim Löw ging – eigentlich. Keller aber machte mit seiner Eröffnung klar, dass an diesem Nachmittag auch die Zukunft der Nationalelf ein großes Thema sein sollte.

„Eine Ära geht zu Ende“, sagte Keller also und blickte hinüber zu Löw, der neben ihm am Tisch saß und im Sommer nach der EM aufhören wird: „Aber die Ära ist ja noch nicht zu Ende, im Sommer bei der EM wünschen wir uns eine Explosion.“ Da wollte Löw nicht widersprechen, der dann über sein nahendes Ende nach 15 Jahren im Amt sprach. Aber nicht nur.

Löws Beweggründe zum Rücktritt

Wenn man es nicht besser gewusst hätte – man hätte Joachim Löw nicht für den alten, sondern glatt für den neuen Bundestrainer halten können, der da am Donnerstag redete. Eindringlich sprach Löw in der Frankfurter Verbandszentrale von „Erneuerung“ und „Energie“, von „neuen Impulsen“ und „neuen Reizen“, die bei der Zäsur in diesem Sommer geboten seien, um bei der Heim-EM 2024 mit der neuen Generation um Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Leroy Sané ein Sommermärchen à la WM 2006 erleben zu können. Löw also blickte auch nach vorne, obwohl das ja im Grunde von Sommer an nicht mehr seine Baustelle ist.

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Weil Löw seinen nahenden Rücktritt aber offensichtlich als letzten großen Dienst an der Fußballnation verkaufen wollte, ging er auf ebendiese Zukunft ein. Und sagte mit Blick auf die Heim-EM dies: „Ein Turnier im eigenen Land hat eine ganz besondere Magie, es muss wirklich explodieren in Deutschland.“

Wie die WM 2006 könne die Heim-EM „unheimlich viel bewirken für unsere Gesellschaft, für alle Menschen“. Genau dies sei der Leitgedanke seiner Entscheidung zum Ausstieg vor Vertragsende 2022 gewesen. Sein Nachfolger, der nach dem Willen des Präsidenten Keller „eine neue Ära“ prägen soll, brauche „ein bisschen Zeit“, betonte Löw.

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Der Duktus des Bundestrainers und seine Strategie wurden schnell klar: Nicht die nach dem 0:6-Debakel in Spanien im November weiter gesunkenen Sympathiewerte für ihn und seine Arbeit also, so sollte das durchklingen, ließen bei ihm in den vergangenen Wochen den Entschluss reifen, nicht mehr bis Vertragsende weitermachen zu wollen. Sondern, das war der Subtext, der Weitblick auf das eigene Wirken. „Ich sehe mich 2024 nicht mehr in dieser Position, wenn man von Erneuerung und Energie spricht, dann ist nach der EM der richtige Zeitpunkt, den Stab an einen anderen Trainer weiterzugeben“, sagte Löw weiter. Und: „Es soll nicht daran scheitern, dass ein Trainer an seinem Stuhl klebt.“

Dass sich viele Fans und Experten genau diese Haltung schon nach dem Vorrundenaus 2018 bei der WM in Russland gewünscht hätten, war dann übrigens kein Thema am Donnerstag – als es stattdessen auch ums nächste große Turnier ging.

Die EM im Sommer

Zunächst, das machten Löw, Keller und der DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der mit am Tisch saß, klar, liege der Fokus auf der EM 2021. Löw versprühte großen Hunger auf sein letztes Hurra: „Turniere habe ich immer über alles geliebt.“ Und auch in seinem Team spüre er „die Energie“, die Mannschaft habe „sehr große Qualität“. Ab heute gelte seine volle Konzentration der EM, meinte Löw noch, denn: „Wir wollen das Maximale erreichen.“

So zumindest redet keine „lame duck“, also in dem Fall ein Trainer, der, da er bald nicht mehr im Amt ist, schon jetzt verbraucht ist und nicht mehr an seine Spieler herankommt. Ob Löw aber am Ende als lahme Ente den Abflug macht oder auf dem Höhenflug in voller Erhabenheit, darüber entscheidet allein der Ausgang der EM – bei der möglicherweise ein paar alte Bekannte wieder dabei sein werden.

Die Rückkehr der Weltmeister

Verstört bis verärgert reagierte Löw am Donnerstag auf Meldungen, wonach ein Comeback der 2014er-Weltmeister Thomas Müller und Mats Hummels bei der EM beschlossene Sache sei. „Ihr müsst mich nach vielen Jahren doch einschätzen können“, sagte er an die per Videokonferenz zugeschalteten Reporter gerichtet: „Man sollte mir zuhören: Ich habe weder die Tür auf- noch zugemacht.“ Es bleibe bei seinem angekündigten Fahrplan hinsichtlich des EM-Kaders: „Ab Anfang Mai beginnt unsere Entscheidungsfindung.“

Er träfe, so Löw weiter, auch diese Entscheidung nicht danach, ob er je nach einem Pro oder Kontra für Müller, Hummels oder Jérôme Boateng öffentlich als Umfaller oder als Sturkopf dargestellt werde. „Einem Trainer kommt es nicht auf die Wirkung in der Öffentlichkeit an“, sagte er noch und gab damit den typischen Löw: „Ein Trainer trifft seine Entscheidungen so, damit sie das beste für das Team sind.“ Löw ergänzte, dass man einen personellen Umbruch samt Verjüngungskur wie von ihm eingeleitet nicht unterbrechen sollte. Aber: Womöglich müsse man ihn in diesem Pandemie-Jahr für ein Turnier unterbrechen, weil man in diesem Umbruch viel zu wenig gemeinsame Zeit gehabt habe, um zusammenzufinden.

Man könnte es also so sagen: Die Hintertür für eine Rückkehr von Müller und Co., sie steht derzeit sperrangelweit offen.

Fakt ist: Für Löws neuen EM-Kurs nach seiner Rücktritts-Entscheidung werden schon in der kommenden Woche Fingerzeige erwartet. Am 19. März wird er den Kader für die ersten Länderspiele 2021 gegen Island (25. März), Rumänien (28 März.) und Nordmazedonien (31. März) nominieren. Klar ist da zumindest eines: Müller und Hummels bleiben dann noch außen vor.