Claudia Papaianni Marchese betreut seit 16 Jahren das Fundbüro auf dem Cannstatter Wasen. Foto: Iris Frey

Während des Frühlingsfests wird so manches vergessen oder verloren. Hilfe bietet das Fundbüro auf dem Wasen. Dort gibt es Fundstücke und kuriose Geschichten.

Der Rettungsanker ist blau. Genauer sind es zwei blaue Container neben dem Gebäude der in.Stuttgart-Veranstaltungsgesellschaft an der Mercedesstraße. Hier ist Claudia Papaianni Marchese seit fast 16 Jahren im Fundbüro tätig. Die gebürtige Untertürkheimerin nimmt die verloren gegangenen Gegenstände entgegen und gibt sie wieder heraus. Manchmal wird es ganz besonders kurios: Ein Festbesucher aus der Eifel hatte kürzlich seinen Autoschlüssel verloren und im Fundbüro angerufen. Da er auch keinen Ersatzschlüssel mehr hatte, war es schwierig mit dem Nachweis. So baute er aus seinem Auto kurzerhand alle Schlösser aus und brachte sie samt Kopie seines Fahrzeugscheins mit. Er fuhr fast 380 Kilometer nach Stuttgart. Der Test im Fundbüro zeigte: Der Schlüssel passte. „Er war überglücklich.“ Und Marchese auch.

Fundbüro-Mitarbeiterin nimmt extra Urlaub fürs Frühlingsfest

Marchese ist hauptberuflich bei einem Dienstleister für die Automobilindustrie tätig, macht aber den Job im Fundbüro sehr gerne: „Es ist ein schöner Ausgleich zum ernsten Berufsalltag.“ Fürs Frühlingsfest und Volksfest nimmt sie extra Urlaub. Als Mitarbeiterin des Sicherheitsdiensts hat sie ein Funkgerät. Bei ihr landen gefundene Gegenstände vom Personalausweis über Geldbeutel, Mobiltelefone, Kleidung, Schuhe bis hin zu Schlüsseln, Hörgeräten oder Gebisse. Eines fällt auf: Bei ihr ist auch eine kleine Schaltzentrale. Mal kocht sie Kaffee für einen Kollegen. Dann beantwortet sie Fragen von Besuchern am Fenster. Die wichtigsten Antworten als Infostelle hat sie in wenigen Worten auf Zettel notiert und ans Fenster geklebt, wo die Polizei, der Geldautomat und die nächste Toilette ist – nämlich direkt um die Ecke. Auch das DRK. Dort können verloren gegangene Kinder gebracht werden. Im Fundbüro werden gleichfalls gegen Gebühr zur Aufbewahrung Sachen abgegeben: etwa Motorradhelme oder Taschen, die in den Zelten nicht erlaubt sind.

Dankbare Besucher bringen oft was Süßes

Unter den größten Fundsachen, die Marchese bislang bekam, waren ein Kinderwagen und jetzt jüngst ein Koffer. Bei ihrer Tätigkeit erlebt sie Freud und Leid. Es berührt sie oft. „Wenn Gäste am Verzweifeln sind und zum Beispiel nicht wissen, wie sie nach Hause kommen, weil in der verlorenen oder geklauten Tasche alles drin war“, so Marchese. Die Besucher seien sehr dankbar. „Sie bringen oft was Süßes mit.“

Natürlich hört sie auch Geschichten der Besucher, warum sie die Gegenstände verloren haben, etwa, dass der Alkoholpegel zu hoch war oder sie sie aus mangelnder Sicherung in den Fahrgeschäften verloren haben. Auch Festwirte bringen Tüten voller Gegenstände und Kleidung. Auch an diesem Tag. Die abgegebenen Sachen werden im Fundbüro registriert. An einem Brett nummeriert hängen die gefundenen Schlüssel. „Alles von hohem Wert registrieren wir und legen es in Behältern ab, die wir einschließen.“

Kisten voller Ausweise, Bankkarten und Geldbeutel

Notiert werden Fundort, Zeitraum sowie die dazugehörigen Taschen oder Bekleidungsstücke. Wenn vorhanden, wie bei Ausweisen oder Geldkarten, auch der Namen des Besitzers. Bekleidungsstücke, auch die, wie Marchese sagt, mit „Zeltgeschmäckle“, landen in Säcken, die mit dem Tagesdatum beschriftet sind. Bei Bedarf und nach genauer Beschreibung der vermissten Stücke werden sie durchsucht. Bislang hat sie beim Frühlingsfest etwa zehn Kleidungssäcke erhalten. Das sei noch verhältnismäßig wenig, sagt die 45-Jährige. Eine Kiste ist voller Ausweise und Bankkarten, eine voller Geldbeutel. Handtaschen wurde nur wenige gefunden. Die Zahl der gefundenen Ausweise und Bankkarten sei weniger geworden. Dafür wurden viele wertvolle Kopfhörer abgegeben. Sie füllen eine ganze Tüte, so viele wie noch nie.

Die Gegenstände werden gegen Beweis herausgegeben. Bei Ausweisen, Geldbeuteln oder Karten (alles, was mit einem Namen identifizierbar ist) muss sich der Besucher anhand eines Dokuments ausweisen. Bei Schlüsseln die Nummer und bei Autoschlüsseln wird der Fahrzeugschein und der Schlüssel vor Ort am Fahrzeug geprüft. Bei Handys muss der PIN eingegeben werden.

Etwa 70 Prozent der abgegebenen Sachen erreicht die Besitzer

Bei ihrer Arbeit hilft der charmanten Frau mit italienischen Wurzeln auch ihre Schlagfertigkeit und Menschenkenntnis. Marchese schätzt, dass etwa 70 Prozent der abgegebenen Sachen die Besitzer wieder erreicht. Dass es das Fundbüro am Wasen gibt, spricht sich herum. Somit kommen auch mehr, um ihre verlorenen Dinge abzuholen – zur Freude der Helferinnen im blauen Rettungsanker.

Nach Ende des Frühlingsfests werden die Fundstücke dem städtischen Fundbüro in Stuttgart abgegeben. Dann können sich die Betroffenen dort unter Telefon 216-89494 melden. Das Fundbüro auf dem Wasen ist noch bis zum Ende des Frühlingsfests samstags, sonntags ab 11 Uhr geöffnet, montags bis freitags ab 13 Uhr, jeweils bis 30 Minuten nach Ende. Telefonisch ist das Fundbüro erreichbar unter 0711-9005625.