Annegret Kramp-Karrenbauer findet erneut klare Worte zur AfD – und wirft SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vor, eine Schmutzkampagne gegen die CDU zu fahren. Foto: AP/Markus Schreiber

Die CDU wählt auf einem Parteitag am 25. April einen Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer. Mehr Klarheit gibt es bisher nicht. Die erhoffte Teamlösung scheint der Noch-Vorsitzenden jedenfalls nicht zu gelingen.

Berlin - So groß ist das Chaos in der CDU, dass das überstürzte Ende der Ära Annegret Kramp-Karrenbauers an der Parteispitze zur Randnotiz verkommt. Am 25. April, nach nicht einmal eineinhalb Jahren, endet ihre Zeit im Chefsessel des Konrad-Adenauer-Hauses. An jenem Samstag wird auf einem Sonderparteitag in Berlin ihr Nachfolger gewählt. So ist es auf einer Krisensitzung des Bundesvorstands an diesem Montagvormittag beschlossen worden – und Journalisten wie Parteifreunde wollen nur noch wissen, wer wie was warum wird. Dass die glücklose Saarländerin nicht einmal mehr bis zum regulären Stuttgarter Parteitag Anfang Dezember amtiert, wie sie das bei ihrer Rückzugsankündigung vor zwei Wochen kundgetan hatte, interessiert zu diesem Zeitpunkt schon niemanden mehr. Politik ist ein gnadenloses Geschäft.

Die Vorsitzende spricht selbst vom „Machtvakuum“

Der Rückzug vom Rückzug auf Raten hat einen einfachen Grund: Die Christdemokraten halten ein „Machtvakuum“ über so viele Monate nicht aus. Dieses Wort hat die Verteidigungsministerin in der Vorstandssitzung selbst in den Mund genommen. Es ist ein Eingeständnis, dass die ohnehin stets umstrittene Noch-Chefin in den vergangenen Tagen endgültig die Kontrolle über ihre Partei verloren hat. Allein in den vergangenen zwei Wochen sind Dinge passiert, die so gar nicht in das Bild eines straff organisierten Kanzlerwahlvereins passen wollen. AKK jedenfalls ist raus – davon, dass sie die Suche nach einem Nachfolger für sich selbst und möglicherweise auch für Kanzlerin Angela Merkel „von vorne führen“ will, kann keine Rede mehr sein. Die größte Regierungspartei der Bundesrepublik ist führungslos.

Ein Mann, der dafür nicht viel kann, aber mit in den Abgrund gerissen worden ist, kommt auf der Pressekonferenz als Erster ausführlich zu Wort. Der Hamburger Spitzenkandidat Marcus Weinberg, der das mit einem Stimmenanteil von 11,2 Prozent historisch schlechte Ergebnis sicher nicht allein zu verantworten hat, redet dann auch nur kurz über die Hansestadt und lang über den Tumult in der Thüringer Truppe seiner Partei, die auch die Bundespartei erfasst und einen Fehler nach dem anderen produziert hat. So nah am Meer sei er Stürme gewohnt, die einem den Wind ins Gesicht peitschten, meint Weinberg, vom „Orkan“ jedoch, der aus Erfurt kommend erst Berlin erfasst und jetzt in Hamburg eine politische Spur der Verwüstung im christdemokratischen Lager hinterlassen hat, sei er überrascht worden.

Der unterlegene Kandidat soll sichtbar bleiben

Nachgelassen hat die Windstärke noch nicht. Natürlich ist Kramp-Karrenbauer bei ihrem Auftritt darum bemüht, die Beschlüsse ihrer Gremien so zu erklären, als ob nun wieder Klarheit herrsche im Himmel über der CDU: Der Sonderparteitag kommt so schnell es bei einer Einladungsfrist von acht Wochen eben geht. Der Sieger soll auch „Kanzlerkandidat der CDU“ sein, also der Einzige aus der Christlich Demokratischen Union, der in Frage kommt, wenn später zusammen mit CSU-Chef Markus Söder der gemeinsame Kanzlerkandidat der Union bestimmt wird. Damit der Verlierer nicht wieder nachkartet und neue Unruhe in die Partei hineinträgt, haben sich laut Kramp-Karrenbauer potenzielle wie tatsächliche Kandidaten bereits dazu verpflichtet, im Anschluss „erkennbar und sichtbar“ in der Partei mitzuwirken.

Schon im Laufe dieser Woche sollen die Kandidaten aus der Deckung kommen. Norbert Röttgen steht schon fest; an diesem Dienstag folgt vermutlich Friedrich Merz, der kurzfristig einen Auftritt in der Bundespressekonferenz angekündigt hat.

Hauptakteure nicht zur einvernehmlichen Lösung bewegt

All das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es der scheidenden Chefin nicht gelungen ist, die Hauptakteure – also auch noch Armin Laschet und Jens Spahn – zu einer einvernehmlichen Aufgabenteilung zu bewegen. Aus ihrem eigenen Scheitern schlussfolgert AKK, dass der künftige Mann an der Spitze den Konkurrenten herausgehobene Posten einräumen sollte, um die inhaltliche Bandbreite der Volkspartei abzubilden. Aber mindestens zwei Bewerber wollen dem Vernehmen nach nicht zurückstecken – nicht Norbert Röttgen, der vergangene Woche vorpreschte, und auch nicht Friedrich Merz. „Die Gespräche letzte Woche haben deutlich gemacht, dass eine Teamlösung quasi unmöglich ist“, heißt es in Kramp-Karrenbauers Umfeld. Die Selbstverpflichtung der Kandidaten wird dort auch nicht unbedingt als Allheilmittel gesehen: „2018 war es mit den Treueschwüren ja nicht so weit her.“

Wie in Brüssel: Ergebnisse brauchen Zeit

Aus diesen Worten spricht die Enttäuschung der Gescheiterten, andere sind nicht so pessimistisch. Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary etwa fühlt sich an seine Arbeit in Brüssel erinnert. Wie vergangene Woche der EU-Finanzgipfel ohne Ergebnis blieb, habe auch die CDU-Rosenmontagssitzung noch keine Klarheit bringen können – nun gebe es am 25. April einen „Gipfel“, bis dahin werde es noch Bewegung geben.

Nun kann man zur CDU stehen, wie man will, unbestritten ist, dass sie in 70 Jahren als Stabilitätsanker dieser Republik fungiert hat. Da ist es nicht so weit hergeholt, wenn Bundesvize Thomas Strobl mit seiner CDU auch die Demokratie im Land gefährdet sieht. Weil die Lage ernst ist, mahnt er alle Akteure, persönliche Eitelkeiten hinten anzustellen und sich noch zu einigen – so groß inhaltliche Unterschiede auch sein mögen.

Auf der Suche nach der Mitte

„Die Mitte“. So steht es schon seit Jahren auf der großen Leinwand im Konrad-Adenauer-Haus, vor der sich „AKK“ den Fragen der Journalisten stellt. Wenn es nur so einfach wäre! Wo genau nämlich diese Mitte zu suchen sein soll, das scheint der Partei, die es innerlich schon im Zuge von Angela Merkels Flüchtlingspolitik zerrissen hat, weniger klar zu sein als ja zuvor. Das räumt auch Kramp-Karrenbauer ein, wenn sie auf die bayerische Forderung nach einer gemeinsamen Strategieklausur der Präsidien von CDU und CSU eingeht – es bleibt allerdings offen, ob es noch unter ihrer Ägide oder erst unter dem neuen Vorsitz dazu kommt.

Eines aber will sie nicht auf sich sitzen lassen, den Vorwurf, dass ihre Partei ein ungeklärtes Verhältnis zur AfD habe. Sie fordert den SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sogar dazu auf, ihn nicht weiter zu erheben – oder andernfalls mit seiner Partei die gemeinsame Regierung zu verlassen. In lange nicht mehr gehörter Klarheit spricht die Noch-Vorsitzende von einer „Schmutzkampagne gegen die CDU“ aus den Reihen des eigenen Koalitionspartners. Mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss gibt es aus ihrer Sicht „ganz klare Brandmauern“, und „jeder, der an diesen Brandmauern herumwerkelt oder sie niedriger zu machen versucht, stellt sich aus meiner Sicht außerhalb der Partei“.

Thüringer Parteifreunde ins Gebet genommen

Klarer geht es nicht. Trotzdem sind es gerade diese Sätze, die bei den Thüringer Parteifreunden auf taube Ohren gestoßen und somit ein Grund für ihr Scheitern sind. Dass die Kollegen in Erfurt über das Wochenende ermahnt werden mussten, gemäß dem Abgrenzungsbeschluss jetzt nicht in einer 180-Grad-Wende den Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen, macht das CDU-Chaos komplett. Obendrein gibt es auch immer mehr Christdemokraten, die nach der rassistischen Bluttat von Hanau denselben politischen Abstand zu AfD und Linken für überholt halten.

Es ist eine ziemlich unlustige Veranstaltung gewesen an diesem Rosenmontag in der CDU. „Wie soll die Stimmung schon gewesen sein an so einem Tag“, sagt eine Frau aus dem Vorstand, als sie das Adenauerhaus verlässt. „Alle sind unglücklich.“