Statistisch gesehen, wird mit der Tastuntersuchung von zehn Prostatatumoren nur einer entdeckt. Foto: picture alliance / dpa/Axel Heimken

Krebsforscher halten die kassenfinanzierte Früherkennung von Prostatatumoren für wenig wirksam. Sie forschen an einem neuen Ansatz, das Screening zu verbessern. Erste Ergebnisse liegen nun vor.

Es gibt einen Begriff, den Männer häufig für die kassenfinanzierte Krebsvorsorge benutzen: Man mache da mal eine kleine Hafenrundfahrt, heißt es dann, wenn der Urologe mit dem Finger die Prostata, den Enddarm und auch den Schließmuskel abtastet. Eine unangenehme Untersuchung für Männer ab 45 Jahren – und eine, die überdies zu wenige Tumore entdeckt, um als erfolgreiche Früherkennungsmaßnahme zu gelten, argumentieren Krebsforscher. Am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) versuchen Ärzte daher die Prävention für Männer zu verbessern. Wie dies gelingen kann, zeigt diese Übersicht:

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit der bisherigen Früherkennung Prostata-Tumore zu erkennen?

Statistisch gesehen, wird mit der Tastuntersuchung von zehn Prostatatumoren nur einer entdeckt – und zwar jene, die außen an der Prostata sitzen. Um dem Geschehen innerhalb der Vorsteherdrüse näherzukommen, wo das Tumorwachstum eigentlich beginnt, braucht es die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens, PSA abgekürzt. Es ist ein Eiweiß, das von den Prostatadrüsen gebildet wird und zu einem sehr geringen Teil in das Blut übergeht. Karzinomzellen bilden erheblich mehr PSA als normale Prostatazellen. Mit der Höhe des PSA-Werts im Blut steigt somit auch die Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs.

Der PSA-Wert gilt als umstritten – warum?

Der gemeinsame Bundesausschuss, also das Gremium aus Ärzten und Krankenkassen, das entscheidet, was die Kassen zahlen, hält die Aussagekraft für zu gering. Denn ein erhöhter Wert hat nicht selten natürliche Ursachen: So kann er durch andere Erkrankungen, wie eine gutartige Vergrößerung der Prostata oder auch durch Sport wie Radfahren oder Reiten erhöht sein. Daher wird für eine eindeutige Krebsdiagnose stets noch eine Gewebeprobe benötigt. Nur so lässt sich auch der sogenannte Gleason-Score bestimmen, der Bösartigkeitswert. Danach richtet sich auch die Therapie.

Warum halten Krebsforscher die Bestimmung des PSA-Werts dennoch für wichtig?

Das Problem ist nicht die Messung des Antigens an sich, sondern vielmehr die bisherige Durchführung: „Ein Populationsbezogenes PSA-Screening, das für alle Männer einer Altersgruppe die gleichen Testintervalle vorsieht, führt häufig zu falsch-positiven Befunden oder Überdiagnosen“, sagt Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie an der Uniklinik Düsseldorf, der am DKFZ die Abteilung Personalisierte Früherkennung des Prostatakarzinoms leitet. Er plädiert dazu, die PSA-Messung individueller und risikoangepasster zu gestalten.

Was ist mit falsch-positiven Befunden und Überdiagnosen gemeint?

Bei einem falsch-postiven Befund erhalten Männer eine Krebsdiagnose, obwohl in der Prostata sich kein Tumor gebildet hat. Bei einer Überdiagnose wiederum wird ein Tumor entdeckt und behandelt, obwohl dieser dem Betroffenen zu Lebzeiten höchstwahrscheinlich keine Probleme bereitet hätte. Beide Risiken sind psychisch sehr belastend und können unnötige und riskante Diagnostiken oder Therapien nach sich ziehen.

Wie kann das Prostatakrebs-Screening verbessert werden?

Der Urologe Albers hat ein risikoangepasstes Screeningschema entwickelt: Es basiert auf der Beobachtung, dass der PSA-Ausgangswert im Alter von 45 bis 50 Jahren einen hohen Vorhersagewert hat, ob ein Mann in den kommenden drei Jahrzehnten an Prostatakrebs erkranken wird. „Mit Hilfe unserer Studie wollen wir herausfinden, welches das das optimale Alter für die Bestimmung des PSA-Basiswertes ist – 45 oder 50 Jahre“, sagt Albers. Außerdem soll die Studie namens Probase zeigen, ob ein späterer Beginn des Screenings die Rate an unnötiger Diagnostik und Therapie reduzieren kann.

Wie ist die Studie aufgebaut?

In den vier Studienzentren Düsseldorf, Heidelberg, Hannover und München wurden von 2014 bis 2019 insgesamt 46 642 Männer im Alter von 45 Jahren rekrutiert. Bei der einen Hälfte wurde der PSA-Basiswert sofort ermittelt. Erwies sich dieser als hoch, wurde eine Kernspinuntersuchung (MRT) der Prostata mit nachfolgender Biopsie empfohlen. Bei Männern mit niedrigem oder mittlerem PSA-Wert sollte dieser nach fünf beziehungsweise zwei Jahren erneut bestimmt werden. Den Studienteilnehmern in der zweiten Gruppe wurde die gesetzlich empfohlene Tastuntersuchung angeboten. Der PSA-Wert wurde erst nach deren 50. Geburtstag bestimmt.

Was sagen die ersten Ergebnisse?

Es zeigte sich, dass in der ersten Gruppe auf diese Weise innerhalb von fünf Jahren 48 Prostatakarzinome entdeckt worden sind, darunter vier Tumore mit höherem Aggressivitätsgrad, was 0,02 Prozent aller Studienteilnehmer entspricht. Bei der Gruppe von Männern, die nur eine Tastuntersuchung erhielten, wurde bei nur zwei Studienteilnehmern Prostatakarzinome gefunden. Bis zum Jahr 2024 wollen die Forscher mittels des PSA-Screenings ausgewertet haben, ob und wie viele Tumore in welchem Stadium in der zweiten Gruppe beim Tasten übersehen worden sind. Daraus ließe sich dann auch ableiten, ob es sinnvoll ist, die gesetzlich empfohlene Tastuntersuchung beizubehalten.

Wann könnte das Screening bundesweit Schule machen?

Am Studienende im Jahr 2035 kann dann endgültig entschieden werden, ob sich das neue risiko-adaptierte Screening bewährt hat – und ob es mit 45 oder mit 50 Jahren beginnen soll.