Der Waldenserort Perouse wurde 1699 am östlichen Rand der Markung Heimsheim von 242 Glaubensflüchtlingen aus dem Piemont gegründet. Foto: /Stadt Rutesheim

Im Perouse wird an diesem Freitag erneut ein „Freudenfeuer“ angezündet. Es erinnert an die von langer Unterdrückung geprägte Geschichte der Waldenser.

Die Flammen des Freudenfeuers lodern gen Himmel. Sie erwärmen die Herzen und erfreuen die Seelen aller ringsum, denn es ist ein Feuer der Freiheit. Nach zweijährige Coronapause wird in Perouse, wie in den italienischen Waldensertälern seit 175 Jahren, ein „Freudenfeuer“ angezündet. Das geschieht zur Erinnerung an den 17. Februar 1848, damals hat Karl Albert I., der König von Sardinien-Piemont, ein Gnadenpatent erlassen. Damit wurde den italienischen Waldensern die Glaubensfreiheit zugestanden und sie erlangten die bürgerliche Gleichberechtigung, also auch das Recht der freien Berufswahl und das Recht auf Grunderwerb.

Großes Feuer beim Sportheim, Andacht in der Kirche

Zum Zeichen der Verbundenheit mit den in Italien lebenden Waldensern findet auch in diesem Jahr in Perouse, das seit dem 1. Januar 2021 offiziell die Bezeichnung „Waldenserort“ trägt, am Freitag, 17. Februar, nun schon zum elften Mal diese Gedenkveranstaltung statt. Die evangelische Kirchengemeinde Perouse und das Partnerschaftskomitee der Stadt Rutesheim laden dazu alle ein. Treffpunkt ist um 18 Uhr in der Waldenserkirche in Perouse. Der Gesangsverein Liederlust Perouse gestaltet die Andacht musikalisch. Traditionell werden wieder gegenüber der Kirche kostenlos Fackeln verteilt. In einem gemeinsamen Fackelzug gehen die Teilnehmer hinauf zum Gelände beim Sportheim des SV Perouse. Dort oben am großen Freudenfeuer singen dann alle gemeinsam noch das Lied „Großer Gott wir loben dich“.

Mit Punsch, Glühwein und Grillwurst sowie den „Gofri“ (Pfannkuchen), die bei Volksfesten im Piemont und in Perouse auf dem Adventsmarkt angeboten werden, kann man sich stärken und warmhalten. Interessierte können auch direkt zum Freudenfeuer kommen. Ab 17.30 Uhr sind die Stände geöffnet. Das Freudenfeuer wird allerdings erst gegen 19 Uhr angezündet. Tradition ist auch, dass die Veranstalter das Opfer in der Kirche und den Verkaufserlös den Freunden im italienischen Perosa Argentina für die Jugendarbeit vor Ort zur Verfügung stellen.

Waldenser flüchten vor religiöser Verfolgung

Perouse wurde 1699 am östlichen Rand der Markung Heimsheim von 242 waldensischen Glaubensflüchtlingen aus dem Piemont gegründet. Ihr Leitspruch war und ist „Lux lucet in tenebris“ - das Licht leuchtet in der Finsternis, ein Satz aus dem Johannesevangelium. Ihre Siedlung benannten sie nach ihrem Heimatort Perouse (heute Perosa Argentina). Ihre Nachbarn in Heimsheim waren nicht begeistert, mussten sie aber akzeptieren, weil Herzog Eberhard Ludwig entschieden hatte, Waldenserflüchtlinge im Land aufzunehmen. Sie mussten an den Rand Heimsheims, wo es kein Wasser gab und der Boden schlecht war, auch wurde ihnen kein Wald zugesprochen. Doch sie bauten sich dort ihre Hütten und passten sich immer weiter an.

1839 kauften die Perouser der Stadt Heimsheim die Markungsrechte ab und wurden so als Gemeinde selbstständig. In einem Verzeichnis von 1699/1700 sind einige der noch heute ansässigen französisch klingenden Familiennamen von Perouse erwähnt, wie Baral, Baret, Charrier, Mouris, Servay, Simondet und Vinçon.

Ein Zeichen für die wechselvolle Geschichte der Perouser ist der Henri-Arnaud-Brunnen, welcher zum 200-jährigen Jubiläum des Ortes 1899 eingeweiht wurde. Arnaud war der Anführer der „Glorreichen Rückkehr“ der Waldenser und organisierte die Ansiedlung der Waldenser nach Württemberg, Baden-Durlach und Hessen-Darmstadt. Es entstanden die Kolonien: Groß- und Kleinvillar, Schönenberg, Pinache, Serres, Perouse, Neuhengstett und Nordhausen, Palmbach und Untermuschelbach. 1823 wurden hierzulande die Waldenser in die Württembergische Evangelische Landeskirche integriert.

Henri Arnaud bringt die Kartoffel nach Süddeutschland

Die Waldenser brachten neue Kulturpflanzen aus ihrer Heimat mit. Henri Arnaud hat bereits 1701, als Erster in Württemberg, Kartoffeln in seinem Garten angebaut. Der aus Torre Pellice stammende Antoine Seignoret war in langen abenteuerlichen Fußmärschen in die Täler zurückgekehrt und hatte von seinen Verwandten einen Rucksack mit 200 „erdfarbigen Knollen, dergleichen bis dahin niemand in Deutschland kannte, genannt Trifulles oder Potates“ mitgebracht – so eine zeitgenössische Beschreibung. Arnaud verteilte die Ernte an die Waldenserdörfer. Kartoffeln wurden daher in Süddeutschland etwa 50 Jahre vor der Einführung in Preußen durch Friedrich den Großen angebaut.

Auch die Maulbeerbäume wurden von den Waldensern in Süddeutschland verbreitet. Außerdem bauten sie in der neuen Heimat den Luzerne-Klee an, den sie aus ihrer Heimat kannten. Dort war er eine wichtige Agrarfrucht, die verstärkt im Tal Luserna angebaut wurde. Sie gehört zur Familie der Hülsenfrüchte und diente sowohl als Futtermittel für das Vieh als auch als Lebensmittel für die Menschen.