Der Sieg gegen Marokko soll für Lea Schüller, Lena Lattwein und Laura Freigang (von rechts) nur der Anfang einer langen Weltmeisterschaft gewesen sein. Foto: imago/Beautiful Sports

Die Sehnsucht nach einem zweiten Aufenthalt in der australischen Metropole ist bei den deutschen Fußballerinnen nach dem gelungenen Auftakt groß. Nun wird Kolumbien in Sydney zum ersten richtigen Prüfstein.

Die Melbourne Docklands gelten als das Megaprojekt einer atemberaubenden Großstadt. Milliardenschwere Investitionen haben in den alten Hafenanlagen teure Wohnungen für 30 000 Menschen, ein tolles Football Stadium und futuristische Hotels entstehen lassen. Eine komplett schwarz verglaste Luxusherberge steht am Ufer in zweiter Reihe hinter Palmen, in der die deutschen Fußballerinnen nach dem Kantersieg gegen Marokko (6:0) eine weitere Nacht verbracht haben. Am Dienstagmorgen unternahmen etliche Spielerinnen eine schnelle Shoppingtour, ehe es zum Flieger nach Newcastle und dann zurück ins Quartier nach Wyong ging. Mit Selbstvertrauen statt Selbstzweifeln.

Bundestrainerin hält am Mix aus Anspannung und Entspannung fest

Ehe die Vorbereitung aufs zweite WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien (Sonntag, 11.30 Uhr MESZ/ARD) anläuft, steht der Mittwoch zur freien Verfügung. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hält am Mix aus Anspannung und Entspannung fest. Schöne Plätze an der Central Coast gibt es noch genügend zu entdecken – man muss in diesem riesigen Land nur weit genug fahren. „Es wird bestimmt auch wieder einiges angeboten“, sagte Torhüterin Merle Frohms, die ihre Vorderleute dafür lobte, „auf den Punkt zu performen“.

Mittelfeldspielerin Lina Magull fand, es sei wichtig gewesen, „für uns selbst ein Zeichen zu setzen, natürlich auch ein gutes Gefühl nach Deutschland zu vermitteln“, aber übertreiben müsse man auch nicht. Eine Führungskraft wie Svenja Huth sieht angesichts weiterhin zu vieler Abspielfehler noch „viel Luft nach oben“. Dennoch schien in der australischen Sportkapitale von einigen viel Ballast abzufallen. „Girl on Fire“ von Alicia Keys trällerte sogar die sonst doch eher schüchterne Stürmerin Jule Brand voller Inbrunst mit, als der Fifa-Bus zurück vom Olympic Park durch den Regen fuhr.

Spielführerin Popp brennt für Mission zum dritten Stern

Mal wieder Feuer und Flamme scheint Alexandra Popp, die für die Mission zum dritten Stern brennt wie kaum eine andere. Die wegen ihres kürzlich verstorbenen Vaters einigermaßen sentimentale Doppelpackerin hat sich einmal mehr als Unterschiedsspielerin herausgeschält. Nur hat das von der 32-Jährigen verletzt verpasste EM-Finale letztes Jahr ausdrücklich belegt, dass eine alleine auch nicht alles richten kann. Insofern eine gute Botschaft, dass ihre spät eingewechselte Vertreterin Lea Schüller vor dem Block mit den meisten der 2500 deutschen Fans traf. Da könnte jemand vielleicht noch so wichtig werden, wie es Sara Doorsoun oder Melanie Leupolz bereits waren. Deren Einsätze kamen für die Kaderhygiene zu einem idealen Zeitpunkt. Gegen den mit Abstand schwächsten WM-Gegner blieben kleine Wackler folgenlos. Die bereits bei der WM 2019 in allen fünf Spielen zum Einsatz gekommene Doorsoun wisse, „wie man Dinge abläuft“, lobte die Bundestrainerin. „Ihre positive Energie tut uns gut.“

Was Leupolz von der Geburt ihres mit nach Australien genommenen Sohnes sagen kann. „Auf dem Weg zum Stadion musste ich mich selbst mal kneifen, dass ich wirklich wieder bei der WM bin, sogar in der Startaufstellung stehe und mein Land repräsentieren darf.“ Der (Mutter-)Stolz war der 29-Jährigen anzusehen. Vor den Augen des designierten DFB-Sportdirektors Sami Khedira sandte Leupolz aus der Großstadt die Botschaft: Es geht im Notfall ohne die in England überragenden Stützen Marina Hegering und Lena Oberdorf, wobei Letztere bald wieder die grätschende Spaßverderberin spielen dürfte. „Ich bin zuversichtlich, aber das bin ich ja immer in jeder Situation“, sagte Oberdorf.

Der nächste Gegner wird kein leichter

Die 21-Jährige wird es im fast ausverkauften Football Stadium von Sydney am Wochenende auch brauchen, denn Kolumbien hat seine Qualitäten mit einem ersten Ausrufezeichen gegen Südkorea (2:0) unterstrichen. Voss-Tecklenburg warnte erneut vor der „körperlichen Wucht und starken Physis“, hinzu kommt eine bisweilen grenzwertige Gangart, auf die sich ihr Team gedanklich einstellen muss. Gleichwohl: Bei allem Respekt vor den Fortschritten des Südamerika-Zweiten kann für die DFB-Frauen allein der Gruppensieg das Ziel sein. Mehr als ein netter Nebeneffekt wäre es, dass es dann zum Achtelfinale am 8. August erneut ins pulsierende Melbourne gehen würde.