Inzwischen hat sich der Wasserstand des Bodensees erholt. Als Trinkwasserreservoir ist er für Stuttgart von entscheidender Bedeutung. Foto: Imago/Andreas Haas

Die Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat will das Wassernetz von der EnBW rasch zurückkaufen. Die Wegbeschreibung dazu ist unklar, der Preis völlig offen.

Die Eigentumsfrage um das Trinkwassernetz in der Landeshauptstadt und damit um die öffentliche Daseinsvorsorge könnte, wie schon 2009, zum Thema des Kommunalwahlkampfes 2024 werden. Im Dezember war Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) im Gemeinderat mit seinem Vorschlag gescheitert, das Wassernetz erst 2042 von der EnBW-Tochter Netze BW Wasser zurückerwerben zu wollen. Die Mehrheit aus Grünen, SPD, dem Linksbündnis und der Fraktion Puls fordern eine schnellere Lösung, schließlich befindet man sich seit bald zehn Jahren im Rechtsstreit mit der EnBW. Das vom Rat angenommene Bürgerbegehren zum Rückkauf ist noch älter.

„Position für sich festigen“

In dieser Woche haben die ökosozialen Fraktionen sich in einer Podiumsveranstaltung im Rathaus ihr Ansinnen gegenseitig und gegenüber dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Klima- und Umweltbündnis, dem Stuttgarter Wasserforum und zahlreichen Bürgern im Publikum versichert. Allerdings offenbarten sich unter der Moderation von Frank Ulmer Unterschiede, nicht nur in Nuancen. Die Verwaltung und Vertreter anderer Fraktionen (, die Noppers Vorschlag goutieren,) seien nicht im Saal, so Ulmer, weil man erst einmal „die Positionen für sich festigen wolle“.

Wert völlig unklar

Kurz vor Weihnachten hatten die Fraktionen Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) beauftragt, das EnBW-Angebot nachzuverhandeln. Die Wegbeschreibung ist dabei allerdings variabel. SPD und Linksbündnis wollen den Rückkauf „umgehend zum subjektiven Ertragswert“. Die Wertermittlung hat das Landgericht eingeführt, das Netz veranschlagt es auf 348 Millionen Euro. Bei der EnBW selbst scheint der Wert volatil. Mal wurden 626, dann 480 Millionen Euro verlangt. 2009 wären 50 Prozent des Netzes nach dem Sachzeitwert für 80 Millionen Euro zu haben gewesen. Der damalige CDU-OB Wolfgang Schuster hatte mit EnBW eine entsprechende Übernahme verhandelt, der Gemeinderat lehnte ab.

Dem Linksbündnis-Sprecher Hannes Rockenbauch kam es vor Publikum auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht an. Man gebe ja sonst „viel für unnütze Sachen aus“. Fuhrmanns Mandat dürfte durch einen derart saloppen Umgang mit Steuergeld nicht einfacher werden.

Manche Fraktionen wollen Druck machen

SPD, Linksbündnis und Puls sind auch bereit, zu eskalieren. Man scheue ein Vorantreiben des Rechtsstreits nicht, so die SPD-Sprecherin Jasmin Meergans. Der könnte noch eine Dekade beanspruchen. Der Puls-Sprecher Christoph Ozasek geht noch weiter, er will, dass die Stadt die „Streitmenge bündelt“ und ein Urteil zum Fernwärmenetz der EnBW annimmt. Sie soll der EnBW auferlegen, ihr 218 Kilometer langes Netz auszubauen. Beide Streitparteien haben dazu allerdings eine Revisionsantrag beim Bundesgerichtshof gestellt. Hannes Rockenbauch will die EnBW-Grundstücke in der Stadt,vor allem am Neckar, mittels Verweigerung eines Bebauungsplanes zu einer Art Schikanierzwickel abstufen.

Derartige Forderungen zählen bei den Grünen nicht zur Ultima Ratio. Sie sind in der Papierform ein gutes Stück von den anderen entfernt. Ihr Antrag lautet, Wertermittlungsverfahren zu vergleichen. Die Streitparteien sollen einen gemeinsamen Gutachter beauftragen. Kredite zum Kauf des Netzes würden sich auf den Wasserpreis niederschlagen, warnt die Grünen-Sprecherin Petra Rühle. Natürlich wolle man kaufen, aber der Wasserpreis solle nicht steigen.

Sorge um langfristig sichere Versorgung

Die Sorgen der Bürger gelten nicht nur dem Kubikmeterpreis, sondern der Versorgung. Barbara Kern vom Wasserform befürchtet, dass die Stadt „Rohre ohne Wasser“ erwerben könnte, schließlich sei bisher „keine Rede von der Rückgabe der Anteile an den Wasser-Zweckverbänden“.

Deren Handelsware wird zunehmend begehrt, auch Bayern will neuerdings den Bodensee anzapfen. Und was wäre, wenn Stuttgart im Jahr 2042 bei einer womöglich europaweiten Ausschreibung gegen internationale Investmentgesellschaften bieten müsste? Die EnBW vertrete ausschließlich die Kapitalinteressen ihrer Haupteigentümer Land und Oberschwäbische Elektrizitätswerke, so der BUND-Kreisvorsitzende Clarissa Seitz. Sie fordert die Unterstützung der Stuttgarter Landtagsabgeordneten ein.

Manfred Niess vom Klima- und Umweltbündnis warnt angesichts von Mangelszenarien vor der zunehmenden Kommerzialisierung der Wasserversorgung. Dagegen müsse ein Schutzwall gebaut werden.