Die Krankenschwester Conny Woog nimmt zurzeit pro Tag bis zu 100 solcher kleinen Blutproben im Rahmen der Stuttgarter Antikörper-Studie. Foto: Jürgen Brand

5000 zufällig ausgewählte Stuttgarter sind um die Teilnahme an der Untersuchung gebeten worden, die Bereitschaft dafür ist hoch. Auch bereits Infizierte machen mit.

Stuttgart - Wenn die Blutspendezentrale an der Keplerstraße neben dem Katharinenhospital in diesen Tagen eigentlich geschlossen hat, fließt dort besonders viel Blut. Blutspenden sind wegen der Coronakrise nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Es kommen aber gerade viele Menschen, die nur zwei, drei Tropfen Blut abgeben. Sie nehmen an der Studie „Ausbreitung des neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) und deren gesundheitliche Folgen“ in der Landeshauptstadt teil. Durchgeführt wird die Untersuchung vom Klinikum Stuttgart, dem Gesundheitsamt Stuttgart und dem Universitätsklinikum Tübingen.

Die Teilnehmer

Für die Studie wurden zum einen vom Einwohnermeldeamt zusammen mit dem Statistischen Amt 5000 Stuttgarter ab einem Alter von fünf Jahren ausgewählt. Sie wurden in zwei Staffeln angeschrieben und bekamen per Post Informationen über die Studie, die Anonymisierung und die Abläufe. Zum anderen wurden wurden in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt 400 Stuttgarter, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert gewesen waren, um eine Teilnahme gebeten. Die Bereitschaft, an der Untersuchung teilzunehmen, war und ist nach Angaben von Professor Jan Steffen Jürgensen, dem Medizinischen Vorstand im Klinikum Stuttgart, außerordentlich hoch. Er ist zuversichtlich, rasch den „ersten Meilenstein“ einer solchen Untersuchung, die ersten Tausend Blutproben-Analysen, zusammen zu haben.

Der Ablauf der Studie

Die freiwilligen Teilnehmer an der Studie werden zunächst gebeten, einen achtseitigen Fragebogen über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auszufüllen. Das dauert etwa 15 Minuten und beinhaltet Fragen zur jeweiligen persönlichen Situation, zu beruflichen Auswirkungen der Krise, zu eventuellen gesundheitlichen Auswirkungen und vor allem auch zu psycho-sozialen Aspekten wie Angst vor dem Virus, psychische Belastungen durch reduzierten Kontakt zur Familie, zu Freunden. Außerdem wird ein Termin zur Blutprobe in der Blutzentrale vereinbart. Dort nehmen Krankenschwestern den Teilnehmern einige wenige Tropfen Blut entweder an einer Fingerspitze oder am Ohrläppchen ab. Wer bei dieser sogenannten Kapillar-Blutentnahme ein bisschen Angst hat, aber trotzdem tapfer mitmacht, bekommt ein kleines Stofftier als Dankeschön.

Die Test-Ergebnisse

Die Teilnehmer können das Testergebnis ihres Bluts wenige Tage später entweder mit Hilfe eines Codes online abrufen oder es sich beispielsweise per SMS schicken lassen. Wenn keine Antikörper nachgewiesen wurden, das Ergebnis also negativ ist, war der jeweilige Teilnehmer bisher mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit dem Virus infiziert gewesen und die Studie ist für ihn zunächst einmal beendet. Werden allerdings Antikörper nachgewiesen, wird der Betreffende zu einer zweiten, großen Blutprobe gebeten. Diese wird dann in einem aufwendigen Test in einem Sicherheitslabor daraufhin untersucht, ob es sich tatsächlich um Antikörper zum neuen Coronavirus handelt oder ob möglicherweise eine Art Kreuzreaktion auf ein „altes“ Virus vorliegt.

Unterschied zu anderen Studien

Stuttgart war laut Professor Jürgensen in der Anfangsphase des Corona-Ausbruchs eine der 20 am härtesten betroffenen Kommunen in Deutschland, ausgelöst vor allem durch Urlaubsrückkehrer. Ergebnisse aus Studien wie etwa in Heinsberg oder in anderen Städten und Regionen seien nicht übertragbar. Im Unterschied zu vielen anderen Antikörper-Studien gebe es in Stuttgart „eine sehr saubere, repräsentative Stichprobenziehung“. Weitere Besonderheiten seien die psycho-soziale Komponente der Studie und, dass sie als sogenannte Längsschnittstudie angelegt sei. Das bedeutet, dass die Untersuchung in mehreren Wochen oder auch Monaten wiederholt werden soll. Auch die Teilnahme an der Folgeuntersuchung ist natürlich freiwillig.

Keine Abstriche

Abstriche, also der Corona-Test bei Verdacht auf eine Infektion, werden im Rahmen der Studie nicht genommen, weil dies nur eine Momentaufnahme wäre, durch die Studie aber der Verlauf und Ausbreitung des Virus erforscht werden soll. Im Klinikum Stuttgart wurden in den vergangenen Monaten laut Professor Jürgensen insgesamt mehr als 30 000 Abstriche gemacht, egal ob beim Personal, bei stationär aufgenommen Patienten etc. Allein in der vergangenen Woche seien es dort jeden Tag 500 Abstriche gewesen – kein einziger sei positiv gewesen.