Winfried Kretschmann beim Besuch ukrainischer Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmestelle in Sigmaringen. Foto: dpa/Felix Kästle

Die Kommunen dringen bei den Flüchtlingskosten auf eine rasche Entlastung durch das Land. Ministerpräsident Winfried Kretschmann reagiert kühl.

Konziliant im Ton, aber hart in der Sache hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf eine Bitte der kommunalen Spitzenverbände für die anstehenden Etatverhandlungen reagiert. Städtetag, Landkreistag und Gemeindetag haben in einem gemeinsamen Brief an Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) darauf gedrungen, die Lastenteilung bei den Flüchtlingskosten losgelöst von allen übrigen Sachthemen zu erörtern und eine rasche Verständigung über diesen Einzelpunkt herbeizuführen.

Finanzminister Bayaz warnt davor, sich auf die zuletzt positive Steuerschätzung zu verlassen

„Ich muss mit einer Formulierung meines Vorgängers Erwin Teufel antworten“, beschied der Regierungschef eine Frage in der Regierungspressekonferenz, ob dieses Anliegen berechtigt sei. „Diese Frage kommt zur Unzeit. Vor Verhandlungen kann man von den Verhandelnden nicht erwarten, dass sie auf Forderungen reagieren, die öffentlich erhoben werden“, sagte Kretschmann kühl. „Sonst schwächen wir unsere Verhandlungsposition.“

Kretschmann will sich also weder unter Druck setzen noch in die Karten gucken lassen. Der Regierungschef will keinen Millimeter Verhandlungsspielraum preisgeben, bevor die Gemeinsame Finanzkommission von Land und Kommunen sich unter Leitung des Finanzministers an diesem Mittwoch zu ihrer nächsten Sitzung trifft. Damit macht Kretschmann erneut deutlich, dass alle Beteiligten sich bei den Beratungen über den Doppelhaushalt 2023/24 auf eine schlechter werdende Lage in den öffentlichen Kassen einstellen müssen. Auch Finanzminister Bayaz warnt wegen der wachsenden Risiken für die Weltwirtschaft davor, sich auf die zuletzt positive Steuerschätzung zu verlassen und mahnt zu Ausgabendisziplin und Prioritätensetzung.

Die finanziellen Belastungen der Kommunen haben sich durch die Regelung bei ukrainischen Flüchtlingen deutlich erhöht

In den Beratungen der Gemeinsamen Finanzkommission geht es neben den Flüchtlingskosten um einen ganzen Strauß von millionenschweren Themen: den Ausbau der Kinderbetreuung in den Kitas, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule, der von 2026 an eingeführt werden muss, die Krankenhausfinanzierung, die Verbesserung der Mobilität im ganzen Land und die Lastenteilung bei der weiteren Digitalisierung der Schulen.

Die Flüchtlingskosten brennen den Kommunalvertretern besonders unter den Nägeln, weil sie schon im laufenden Jahr anfallen und nicht erst im nächsten Doppelhaushalt berücksichtigt werden müssen. Seit Bundestag und Bundesrat beschlossen haben, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine nicht mehr als Asylbewerber versorgt werden müssen, sondern Hartz IV erhalten, haben sich die finanziellen Belastungen der Kommunen deutlich erhöht. Diese Regelung gilt seit dem 1. Juni.

Kommunen haben seit Kriegsbeginn mehr als 100 000 Geflüchtete aufgenommen

Kommunalexperten beziffern die Mehrkosten allein bei der Unterkunft für die Flüchtlinge auf 161 Millionen Euro. Deshalb dringen die kommunalen Spitzenverbände auf Eile. In dem Schreiben an Finanzminister Bayaz pochen sie auf eine Verständigung bereits bei der Sitzung an diesem Mittwoch.

„Es wäre den Kommunen nicht vermittelbar, wenn die Frage der Geflüchtetenkostenerstattung nicht jetzt abschließend gelöst, sondern womöglich bis zum Ende der Verhandlungen in der Gemeinsamen Finanzkommission ungeklärt bliebe“, heißt es in dem Schreiben an Bayaz, das unserer Zeitung vorliegt. In dem Brief von Städtetagspräsident Peter Kurz, Landkreistagspräsident Joachim Walter und Gemeindetagschef Steffen Jäger verweisen die Kommunen darauf, dass sie seit Beginn des Krieges in der Ukraine mehr als 100 000 Geflüchtete in Baden-Württemberg aufgenommen haben.

Auch die in ihren Auswirkungen komplizierte Rechtsänderung zum 1. Juni sei bewältigt worden. „Es scheint uns daher mehr als legitim, wenn wir nun kurzfristig Klarheit über die Kostenfolgen erbitten“, so der Brief.

Hintergrund zur Haushaltsaufstellung

Verhandlungen
 An diesem Mittwochabend berät die gemeinsame Finanzkommission von Bund und Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich für den nächsten Doppelhaushalt.

Hintergrund
 Klar ist, dass die Spielräume enger sind, als in den Vorjahren. Trotz der erfreulichen Steuerschätzung, die für 2023 und 2024 insgesamt drei Milliarden Euro Mehreinnahmen erwartet, will die Koalition deshalb nur etwa 890 Millionen Euro mehr ausgeben.

Zeitplan
Im Dezember soll der Doppelhaushalt für 2023/2024 fertig sein.