Am Montagabend ist das Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen geplant. Foto: dpa/Pavel Golovkin

Am Montagabend treffen sich der türkische Präsident und die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Warum ist die Zusammenkunft so wichtig und was wird von dem Treffen erwartet?

Brüssel - Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montagabend in Brüssel-Zaventem landet und seine Kolonne für die Gespräche mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie mit dem ständigen EU-Ratspräsidenten Charles Michel Kurs auf das Europaviertel nehmen werden, ist klar: Erdogan wird nicht noch am Montagabend mit einem fertigen EU-Türkei-Deal in der Tasche die Rückreise antreten können. Die Europäer werden sich nicht von seinen Ankündigungen, die türkisch-griechische Grenze sei offen, einschüchtern lassen. Schon gar nicht wollten sich die 27 Mitgliedstaaten von ihm die Konditionen eines neuen EU-Türkei-Abkommens diktieren lassen.

Nicht zuletzt die Kanzlerin hatte zwar immer wieder ihre Bereitschaft betont, über eine Neuauflage des Deals aus dem März 2016 zwischen Istanbul und Brüssel zu verhandeln. Das Abkommen hatte dazu geführt, dass die türkischen Behörden die illegale Migration über die Land- und Seegrenze in die EU erfolgreich unterbunden haben und im Gegenzug sechs Milliarden Euro in die Türkei abflossen für die humanitäre Hilfe sowie die Eingliederung der 3,5 Millionen Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs vor Ort. Die letzten Zahlungen aus dieser Vereinbarung stehen in den nächsten Monaten an. Die Kanzlerin hatte auch bereits erste Zahlen für eine Folgevereinbarung genannt, von „ein bis zwei Milliarden Euro“ war die Rede.

Noch kein Entwurf für ein Folgeabkommen

Aber erpressen lassen will man sich von Erdogan in Brüssel nicht. Es hatte zwar in den Vortagen manche Telefonate zwischen Brüssel und Istanbul gegeben. Auch Staats- und Regierungschefs von Mitgliedstaaten, wie etwa der Bulgare Boris Borisov, hatten direkt mit Erdogan gesprochen. Aber es gab definitiv noch keinen Entwurf für ein Folgeabkommen, das die Sherpas in den letzten Tagen ausverhandelt hätten und das nun nur noch auf Chefebene hätte perfekt gemacht werden müssen. Darauf deutete auch hin: Die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten waren nicht in die Vorbereitung des Treffens eingebunden.

Von der Leyen wurde hier vor ihrem Zusammentreffen sehr deutlich. „Die Sache wird heute ganz sicherlich nicht perfekt gemacht.“ Man stehe erst ganz am Anfang der Gespräche. Es gehe zunächst einmal darum, den Dialog wieder aufzunehmen, „überhaupt wieder miteinander zu sprechen“. Sie brachte auch die Verärgerung der EU-Seite über das Vorgehen Erdogans unmissverständlich zum Ausdruck: Erdogan habe die „ungerechtfertigte Behauptung aufgestellt: die Grenzen sind offen.“

Mahnende Worte von der Leyens

Von der Leyen würdigte zwar die Leistungen der Türkei bei der Aufnahme der Flüchtlinge, machte aber auch deutlich, dass Brüssel sich nicht alles bieten lasse: Das Geschehen an der Grenze, wo türkische Behörden offensichtlich Grenzverletzungen aktiv gefördert haben, „darf sich so nicht wiederholen“. Und weiter: Basis für eine „tragbare Vereinbarung“ sei, dass die gesehene „Eskalation sich nicht wiederholt“.

Grundsätzlich fand sie lobende Worte für das EU-Türkei-Abkommen. Sie hob hervor, dass es sich um eine „gute Konstruktion“ handele. Die Prinzipien des Abkommens seien „gut“, einerseits keine irreguläre Zuwanderung zu tolerieren, andererseits aber humanitäre Korridore zuzulassen und Flüchtlingen in der Türkei die Mittel der EU zukommen zu lassen.

Erdogan sucht Hilfe

Von der Leyen machte auch deutlich, dass man sich nicht von der türkischen Seite die Agenda für die Gespräche diktieren lasse. Man werde „Punkt für Punkt“ die Agenda abarbeiten. Dabei standen auch Themen an, die Erdogan ungelegen sein werden. Es gehe im weiteren Sinne auch um den Bürgerkrieg in Syrien, wo die Türkei in Nordsyrien eingegriffen hat.

Erdogan kam also nicht in der Rolle als der starke Mann nach Brüssel. Vielmehr suchte er Hilfe, nachdem er mit seinem militärischen Vorgehen in Syrien in Brüssel und Moskau außenpolitisch zwischen allen Stühlen sitzt und innenpolitisch durch die anhaltende Wirtschaftskrise unter Druck steht. Ein erstes Signal der Einsicht, dass er so nicht weitermachen kann, hat Erdogan auch bereits gesendet: Die türkische Küstenwache hat offensichtlich Anweisung bekommen, wieder das Ablegen von Booten der Menschenhändler in Richtung der griechischen Inseln zu unterbinden.