Eine syrische Flüchtlingsfamilie Foto: dpa/Patrick Pleul

Bei den deutschen Auslandsvertretungen stapeln sich die Anfragen auf Familiennachzug von Flüchtlingsangehörigen. Doch das von der SPD mühsam erstrittene Kontingent von 1000 Nachzügen im Monat wird nicht ausgeschöpft.

Berlin - Das umstrittene Verfahren für den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus steht erneut in der Kritik. „Wir hätten mehr Kapazitäten zur Aufnahme als derzeit Fälle bewilligt werden“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion, die Stuttgarter Abgeordnete Ute Vogt, unserer Zeitung. „Dabei gibt es bei den betroffenen Menschen großen Bedarf nach Familiennachzug.“ Nach neuen Zahlen wird das in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD mühsam von den Sozialdemokraten erstrittene Kontingent von 1000 Bewilligungen im Monat schon seit Juni nicht mehr erfüllt.

Angesichts hoher Flüchtlingszahlen hatten Union und SPD 2016 entschieden, den Nachzug von Angehörigen sogenannter subsidiär Schutzberechtigter auszusetzen. Das betraf viele syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. Auf Druck der SPD vereinbarte die Regierungskoalition schließlich, den Familiennachzug ab dem 1. August 2018 für Kinder unter 18 Jahren, Ehepartner und Eltern unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wieder zu erlauben – allerdings begrenzt auf 1000 Fälle monatlich. Nachdem das Verfahren schleppend anlief, beschied das Bundesverwaltungsamt (BVA) im Februar 2019 erstmals 1000 Anträge positiv. Auch in den folgenden drei Monaten wurde das Kontingent ausgenutzt.

Kontingent seit Juni nicht ausgeschöpft

Seit Juni gehen die Zahlen wieder zurück: In dem Monat gab das BVA in 983 Fällen grünes Licht, im Juli waren es 922. Auch im August, September und Oktober blieb die dem Bundesinnenministerium untergeordnete Behörde mit 769, 823 und 863 bewilligten Nachzügen unter dem Soll. Der vom BVA nicht ausgenutzte Spielraum kann nicht auf die Folgemonate übertragen werden.

„Ich bin etwas erstaunt über die Zahlen und den deutlich sichtbaren Einbruch der letztendlich positiv entschiedenen Fälle“, sagte Vogt. Die Frage sei, an welcher Stelle sich das Nadelöhr befinde. Familienangehörige durchlaufen einen mehrstufigen Prozess, bevor sie nach Deutschland kommen dürfen. Zunächst müssen sie sich um einen Termin bei einer deutschen Auslandsvertretung bemühen. Dort stapeln sich rund 24.000 Terminanfragen. Visumsanträge werden zunächst von den Auslandsvertretungen begutachtet und bei positiver Prüfung an die Ausländerbehörden in Deutschland weitergeleitet.

Grüne: Verfahren ist ein behäbiges Bürokratiemonster

Gibt es auch dort keinen Widerspruch, bekommt das BVA die Fälle auf den Tisch. Von dort gehen die bewilligten Anträge zurück an die Auslandsvertretungen, die schließlich die Visa ausstellen. Dabei kann es zwischen den verschiedenen Stellen sowie von Monat zu Monat Verschiebungen geben, sodass letztendlich auch mehr als 1000 Visa im Monat erteilt werden können. Für die ersten zehn Monate des Jahres wird daher immer noch die Zahl von 9617 Einreiseerlaubnissen erreicht.

Der nun zu beobachtende Rückgang bewilligter Anträge durch die Behörde stellt das Verfahren aus der Sicht von Kritikern massiv infrage. „Spätestens jetzt ist klar, dass das von der GroKo geschaffene Bürokratiemonster nicht nur intransparent ist, sondern auch viel zu behäbig“, sagte Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, unserer Zeitung. „Wo genau die Auswahl derer stattfindet, die zu ihren Verwandten nach Deutschland ziehen dürfen, ist nach wie vor unklar.“ Polat vermutet, dass die Internationale Organisation für Migration (IOM) eine Vorauswahl trifft. Denn an wichtigen Botschaftsstandorten wie Amman, Beirut und Erbil nimmt zunächst die IOM die Anträge auf Familiennachzug entgegen.

„Am Ende muss die Gesamtsumme wieder stimmen“

Das Auswärtige Amt schweigt auf Anfrage dazu, warum das Kontingent zuletzt nicht ausgeschöpft wurde. Das Bundesinnenministerium verweist darauf, dass das BVA nur die Fälle übersandt bekomme, bei denen Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden zuvor keine Einwände hatten. SPD-Innenexpertin Vogt hat die Ausländerbehörden als Schwachstelle ausgemacht: „Sie könnten mehr Fälle zur Entscheidung an das BVA weitergeben, als sie das aktuell tun. Wir müssen das gegenüber den Ländern ansprechen, möglicherweise gibt es in den Ausländerbehörden zu wenig Personal.“

Vogt spricht sich zudem dafür aus, die starre monatliche Obergrenze zu lockern: „Die logische Konsequenz wäre, dass wir sagen, am Ende des Jahres muss die Gesamtsumme wieder stimmen.“ Der Grünen Polat geht das nicht weit genug: „Die Bundesregierung muss dieses Trauerspiel beenden und endlich zu einem nicht kontingentierten Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten zurückzukehren.“