Sebastian Horn (links) und Gerd Baumann in „Dreiviertelblut – Weltraumtouristen“ Foto: Südkino Filmproduktion

Der Frankokanadier François Girard spürt in „The Song of Names“ fiktionalisiert einem Klagelied Holocaust-Hinterbliebener nach, der Bayer Marcus H. Rosenmüller beschäftigt sich in dokumentarisch in „Dreiviertelblut – Weltraumtouristen“ mit einem Mundart-Duo.

Stuttgart - Die zwei interessantesten Filmstarts der Woche beschäftigen sich auf ganz unterschiedliche Weise mit Musik.

Dreiviertelblut – Weltraumtouristen

Da haben sich zwei gesucht und gefunden: Der Sänger Sebastian Horn, Frontmann der Rockband Bananafishbones aus Bad Tölz, und der Gitarrist Gerd Baumann, seit 1997 Produzent von Konstantin Wecker und erfolgreicher Filmmusiker. Seit 2013 firmieren sie unter dem Namen Dreiviertelblut und machen mit einer starken Begleitband zu bayerischen Texten „folklorefreie Volksmusik“, wie sie selbst sagen, Liedermacher-Material angereichert mit Balkan-Polka, Klezmer und Mariachi-Trompete.

Die Stücke gehen unter die Haut, sie erzählen vom Drama des Leben und wie man sich seinen Weg hindurch bahnt. Weil Horns Mundart sehr ausgeprägt ist, verstehen Nicht-Bajuwaren nicht alles auf Anhieb – Dreiviertelblut sind außerhalb Bayerns schwerer vermittelbar als etwa Konstantin Wecker. Das möchte der Regisseur Marcus H. Rosenmüller nun ändern, für dessen ersten Erfolg „Wer früher stirbt ist länger tot“ (2006) Baumann einst die Musik schrieb: Mit seinem Kollegen Johannes Kaltenhauser fühlt er Horn und Baumann dokumentarisch auf den Zahn und zeigt in Schwarzweiß zwei starke Persönlichkeiten, die kennenzulernen sich lohnt.

Beide sind Bayern aus ganzem Herzen, aber weltoffene: „Mi san ned mia“, singt Horn, sondern „alle mitanand unterwegs“. Beide philosophieren über die Weite des All, die Facetten des Menschseins, Naturerfahrungen und das Geschenk, einen Bruder im Geiste gefunden zu haben. Rosenmüller spielt seinen speziellen Humor aus, spielt mit Weltraum-Fantasien und zeigt auch mal multiple Baumänner. Besonders beeindruckend sind Ausschnitte aus einem Konzert im Circus Krone mit den Münchner Philharmonikern, die die klug arrangierte Musik dramatisch anreichern. Da geht es auch darum, sich nicht zu verbrennen: „Wenn du mit dem Teufel tanzt, brauchst du gute Schuh“, singt Horn. Ab 6, Atelier am Bollwerk

The Song of Names

Fünf Tage dauert es, die Namen derer aufzusagen, die im NS-Vernichtungslager Treblinka ermordet wurden. Und weil das weder Aufsagende noch Zuhörende ertragen können, haben sie ein Ritual erfunden: Sie verpacken die Namen in eine Klagemelodie, die ein Rabbi singt. Der polnische Wundergeiger Dovidl, der als Neunjähriger zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zu einer Familie in London kam, erfährt so als 21-Jähriger, was er befürchtet hat: Die Nazis haben seine gesamte Familie umgebracht.

Es ist eine zutiefst bewegende Szene, die lange nachhallt, genau wie der finale Auftritt des nun 56-jährigen Dovidl (stark: Clive Owen). Der Rest des Films erzählt, wie das Pflegekind und Martin, der leibliche Sohn der Familie Simmonds, allmählich Brüder werden – bis Dovidl nach dem Treblinka-Moment verschwindet und Martin ein Leben lang nach ihm sucht. Diese knapp zweistündige Suche gestaltet sich mitunter zäh und Martins Beharrlichkeit ist am Ende auch nicht ganz nachvollziehbar, obwohl Tim Roth sich alle Mühe gibt.

Hätte der frankokanadische Regisseur François Girard eine halbe Stunde gekürzt und stärker auf die Kraft der Musik gesetzt, wäre sein Film womöglich zugänglicher geraten. Auch so gibt er Einblicke ins Judentum und dessen ethischen Grundsätze, er zeigt eine Religion, die stark ins Leben eingreift, aber auf viel sanftere Art als andere. Ab 12, Cinema, Metropol

Weitere Filmstarts

Der Dokumentarfilmer Bernhard Koch spürt in Sein – gesund, bewusst lebendig fünf Menschen, die ihren Lebensstil radikal ändern, um sich selbst zu heilen mit Kräutern, Veganismus oder Yoga. Der Regisseur ist am Freitag zur 18.20-Uhr-Vorstellung zu Gast im Atelier am Bollwerk. Die heimliche, lang andauernde Affäre von Nina (Barbara Sukowa) und Madeleine (Martine Chevallier) gerät in Gefahr in dem Drama „Wir beide“, als eine von ihnen eines Tages mehr will, die andere aber ihre Kinder nicht vor den Kopf stoßen möchte. Ab 6, Atelier am Bollwerk

Steve Carrell spielt in der der Komödie Irresistible – Unwiderstehlich einen Wahlkampfstrategen der Demokraten, dem bei einer Bürgermeisterwahl in Wisconsin eine Republikanerin (Rose Byrne) auf Augenhöhe gegenübertritt. Ab 6, Cinemaxx SI, Gloria, Metropol

Im US-Drama The Secret stirbt erst Mirandas (Katie Holmes) Mann, dann demoliert ein Sturm das Haus der dreifachen Mutter – da erscheint der Positivdenker Bray (Josh Lucas) als Retter (ab 12, Cinema, Cinemaxx City & SI, Metropol).

Der neunjährige Max (Jona Eisenblätter), dessen Vater verschwunden ist und der in der Schule gemobbt wurde, findet in Max und die wilde 7 unter den Senioren im Altenheim Burg Geroldseck Verbündete, mit denen er mysteriösen Machenschaften auf die Spur kommt. O. A. Cinemaxx City & SI, Gloria, Metropol)