In der begehbaren Installation „Intercambios – Das Archiv der Soledad Bauer“ setzt sich das Cargo-Theater mit dem Artensterben auseinander und bringt Käfer zum Sprechen. Foto: Cargo-Theater/6tagefrei

Nicht mehr Wettbewerb, sondern Aufführungs- und Arbeitsort will das Festival „6 Tage frei“ sein. Vor allem ermöglicht es eine Begegnung der freien darstellenden Künste.

Statt eines Wettbewerbs um den Theaterpreis von Stuttgart und Baden-Württemberg präsentiert sich die freie Szene aus dem Land bei ihrem Festival „6 Tage frei“ in diesem Jahr mit einem kuratierten Programm. Neun Gruppen sind von Montag an im Theater Rampe und auf anderen Bühnen in der Stadt zu Gast und laden zur Auseinandersetzung mit dem Festivalmotto „Transformation, Imagination und neue Verwandtschaften“.

Wie das aussehen kann, zeigt das Cargo-Theater. Seit vielen Jahren bereits stehen Schauspieler der Freiburger Gruppe im regen Austausch mit Kollegen von zwei befreundeten Ensembles in Peru. Ein gemeinsames Projekt, bislang zeitlich und finanziell unmöglich, konnte nun auch dank einer Rechercheförderung des Fonds Darstellender Künste realisiert werden. Wie Leon Wierer vom Cargo-Theater am Telefon skizziert, war das Thema des Stücks „Intercambios“, am Dienstag im Fitz zu sehen, schnell gefunden. „Bei der Frage, was beide Länder verbindet, drängten sich Klimakrise und das Artensterben auf, von denen Peru ganz existenziell betroffen ist.“

Eine Installation, in der Käfer sprechen

Die Klage eines von einem schmelzenden Gletschers bedrohten Bauern aus Peru gegen den deutschen Energieriesen RWE wurde ebenso zum Motor der begehbaren Installation wie die von einer deutsch-peruanischen Biologie-Lehrerin angeregte Figur Soledad Bauer. Ihr Archiv der aussterbenden Dinge inspirierte die interaktive Installation von „Intercambios“, in der Käfer oder Gletscher an acht Stationen die Festivalgäste ansprechen.

„Dieser Perspektivwechsel passiert mit einem Augenzwinkern“, sagt Leon Wierer und hofft, dass sich das Publikum auf den Theatermoment einlässt. Dann stellen Insekten Forderungen, bittet Sand um unser Eingreifen. „Uns war wichtig, das nicht als Anklage zu gestalten, sondern Fragen aufzuwerfen“, betont Wierer und fügt mit Blick auf eine Lösung der Klimakrise an: „Es könnte eine Strategie sein, den Dingen mehr zuzuhören.“

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Ähnlich nachdenkliche Töne stimmen am Mittwoch die Apokalyptischen Tänzer*innen aus Stuttgart an, die in „Banana Island“ in der Rampe postkoloniale Fragestellungen verhandeln; Sexismus, Rassismus und mehr steckt in ihrer Tanzperformance um die gelbe Frucht. Klimakrise und menschliche Hybris, die keine Grenzen akzeptiert, beschäftigen die mixed-abled Tanzkompanie Szene 2wei in „Wanderlust?“ (am Donnerstag im Fitz). Außerdem zu erleben sind der Tanzfilm „Cocooning“ von Nicki Lisztas Backsteinhaus-Team (an jedem Festivaltag von 17 Uhr an im Loop in der Rampe), die audiovisuelle Performance „Listening Distance“ von Britt Hatzius und Thomas Tajo, die an allen Festivaltagen im verdunkelten Rampesaal Raum hörbar macht, sowie die Koproduktionen „Zerbrechlichkeit“ am Freitag im Jes und „Hands on Aids“ am Montag im Club Lehmann.

6 Tage frei. 25. bis 30. April in Stuttgart. Programm unter www.6tagefrei.de

Info

Festival
6 Tage frei vom 25. bis 30. April. Programm und Karten unter www.6tagefrei.de

Diskussion
In Kooperation mit der Informationsstelle Peru e. V. gibt es am Dienstag um 19.30 Uhr im Jes ein Gespräch über Klimagerechtigkeit, zu dem peruanische Akteur:innen per Video zugeschaltet sind. Am Freitag geht es im Umfeld der Rampe anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums des Landesverbands freier Tanz- und Theaterschaffender Baden-Württemberg in der Konferenz „Gemeinschaftsgärten“ um die Durchlässigkeit von Kulturinstitutionen für ihre Nachbarschaft.