Schluss mit nett und Blümchen: Das Kollektiv Mütterkünste blickt mit Witz auf die Vereinbarkeit von künstlerischer Arbeit und Familie. Foto: Dominique Brewing

Am Samstag endete „6 Tage frei“ im Theater Rampe. Das Festival der freien darstellenden Szene war mit neuem Konzept gestartet und darf sich über viel Resonanz freuen.

Das Publikum war gefragt bei „6 Tage frei“, dem Festival der Freien Darstellenden Künste, das am Samstag mit einem Fest im Theater Rampe zu Ende ging. Und es kam: Sechs Tage lang füllten die Zuschauer nicht nur die Säle, sondern futterten sich durch essbare Installationen, diskutierten und machten durch ihre Präsenz manche der Performances überhaupt erst möglich.

Diese Teilhabe hatte das neue Konzept des von der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg getragenen Festivals im Sinn, statt Best-of-Wettbewerb verstand sich das Festival 2022 als Austauschplattform. Im Fokus des kuratierten Programms standen aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen wie die vom Kollektiv Mütterkünste vorgetragene: Sängerin, Tänzerin, Performerin, Schauspielerin forderten mit Witz die Vereinbarkeit von Mutterschaft und künstlerischer Arbeit ein.

Es geht nur miteinander: Zuschauer kommen ins Gespräch

Um Klimakrise, Artensterben und eine gerechtere Ressourcenverteilung ging es in der performativen Installation „Intercambios“, in die am Dienstag das Freiburger Cargo-Theater jeweils 16 Gäste ins Fitz einlud. An acht Hör-Stationen gab es aus der Perspektive von schmelzenden Gletschern, schwindenden Stränden und bedrohten Insekten sehr emotionale Eindrücke, im Zuschauerrund durften diese diskutiert werden.

Kann Musik aussterben? Haben Pflanzen eine Persönlichkeit? Klug ist die Anordnung, die Leon und Clara Wierer vom Cargo-Theater in Koproduktion mit dem Teatro Yuyachkani nach der Premiere in Lima erstmals in Deutschland präsentierten, weil sie Menschen ins Gespräch – und zum Nachdenken bringt. Die Lehrerin, in deren nachempfundenem Archiv der aussterbenden Ding gespielt wird, hatte einst ihren Job verloren, weil sie Kinder nicht nur mit Fakten, sondern mit Zusammenhängen und damals wissenschaftlich nicht haltbaren Thesen konfrontierte. Heute weiß dank Förster Wohlleben jedes Kind, dass Bäume miteinander kommunizieren.

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Die Klimakrise war auch Ausgangspunkt der Mixed-abled-Kompanie Szene 2wei, die am Donnerstag ihr Stück „Wanderlust?“ im Fitz zeigte. Ein riesiger Wasserball mit aufgedruckter Erde wurde zum Spielball zwischen Bühnenakteuren und Zuschauern; schnell ist beim Pritschen das Eis gebrochen und der nachlässige Umgang der Menschen mit ihrem Planeten thematisiert.

Mehr Achtsamkeit im Umgang mit unserer Umwelt und anderen ist der rote Faden, der die Tanzszenen zusammenhält – bis das Stück vor einer rotglühenden Erde endet. Gut temperiert war zum Finale am Samstag auch die Stimmung in der Rampe, wo das Performancekollektiv Schwabinggrad Ballett mit der Refugee-Band Arrivati zum Tanz aufspielte. „6 Tage frei“ präsentierte sich als Festival, das Lust auf die nächste Ausgabe macht und ein Gewinn ist für die freie Szene nicht nur in der Stadt.