Und noch ein Pokal: Max Verstappen hat mehr als die Hälfte der Rennen in dieser Saison gewonnen – seine Stärke ist die Schwäche der Gegner. Foto: AFP/ATTILA KISBENEDEK

Acht von 13 Großen Preisen hat Formel-1-Weltmeister Max Verstappen gewonnen und steuert auf den nächsten Titel zu, weil Ferrari sein Potenzial nicht umsetzt. Aber noch wäre der Red-Bull-Pilot zu stoppen.

Man muss nicht bei Amazon, DHL oder UPS beschäftigt sein, um zu wissen, was ein wirklich gutes Paket ist. Menschen, die sich beruflich oder privat tiefer mit der Formel 1 beschäftigen, kennen sich da ebenfalls hervorragend aus. Das beste Paket im Motorsport ist die effizienteste Synthese zwischen der Leistungsfähigkeit des Autos, den Fähigkeiten des Piloten und der Cleverness der Strategen – wer das beste Paket besitzt, liegt in der WM vorn. Max Verstappen hat in Ungarn den achten Grand-Prix-Sieg im 13. Rennen gefeiert und führt im Klassement bereits mit 80 satten Punkte auf Charles Leclerc von der Scuderia Ferrari, was zweifelsfrei belegt, dass Red Bull ein überragendes Paket besitzt, das den Titel fast so schnell liefert wie Amazon Prime.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hatte nach dem Grand Prix in Kanada am 19. Juni beschwichtigend erklärt, nachdem Leclercs Rückstand auf Verstappen auf 34 Zähler angewachsen war: „Wir haben nun vier Rennen in fünf Wochen. Wenn wir in die Sommerpause gehen, wird sich ein Trend abzeichnen.“ Nun sind Ferien, der Italiener hat recht behalten, es zeichnet sich was ab im WM-Duell, jedoch ist die Erkenntnis niederschmetternd für die Ferraristi. In den vergangenen acht Großen Preisen war das Paket Ferrari/Leclerc stets siegfähig, jedoch stand der Monegasse wegen Defekten, Pilotenfehlern oder Strategiepatzern nur einmal als Sieger auf dem Podium. In Ungarn verhinderte die falsche Reifenwahl beim zweiten Stopp eine Aufholjagd, Leclerc wurde Sechster – dabei wird von niemandem bezweifelt, dass der Ferrari F1-75 das beste Fahrzeug ist.

Aber es zählt eben das Gesamtpaket. „Das Ferrari-Desaster in der Box ist komplett: Es reicht! Es bringt nichts, einfach nur das beste Auto zu haben“, schrieb das italienische Blatt „Tuttosport“. Ferrari ist wie ein Student der Luft- und Raumfahrttechnik mit Intelligenzquotient 152, der jedoch unter Prüfungspanik leidet und bei Klausuren immer wieder die einfachsten Zusammenhänge vermischt. Ex-Rennfahrer Johnny Herbert konnte die Reifen-Entscheidung nicht fassen. Jeder habe bei den Alpine-Autos gesehen, dass „der harte Reifen nicht funktioniert. Warum haben sie sich das bei Ferrari nicht angesehen? Es war die dümmste Entscheidung“, kritisierte der 58 Jahre alte TV-Experte und Ex-Teamkollege von Michael Schumacher.

Es könnte in diesem Jahr eine frühe WM-Entscheidung bevorstehen. Ferrari ist technisch zwar mindestens auf Augenhöhe, wirft aber immer wieder WM-Punkte achtlos in den Papierkorb, als seien sie weniger wert als eine Plastikpfandflasche. Mercedes erstarkt zwar allmählich, doch die Lücke von George Russell auf Verstappen beträgt 100 Punkte, und bei Lewis Hamilton sind es 112, so dass eine erfolgreiche Aufholjagd ausgeschlossen scheint – auch weil sich der Silberpfeil in der Leistungsfähigkeit längst nicht auf dem Niveau des RB 18 befindet. Die Piloten und die Strategen von Mercedes stehen dagegen auf einem ähnlichen Niveau.

Vorbild für Red Bull ist Mercedes, auch wenn sich die Bosse immer wieder die gegenseitige Abneigung öffentlich bestätigen. Denn die Konzernmannschaft von Teamchef Toto Wolff hat vorgemacht, wie man über viele Jahre eine erworbene Branchenführerschaft erfolgreich aufrechterhält. Ein Trumpf dabei ist eine frühe WM-Entscheidung. Dann können die Ingenieure umso früher und beharrlicher mit der Entwicklung des nächstjährigen Autos beginnen, weil sie in den aktuellen Boliden nur noch wenig Gehirnschmalz und Zeit investieren müssen. Das bringt 2022 einen Vorsprung für 2023. „Man muss zehn bis zwölf Rennen gewinnen, damit man in der WM eine realistische Chance hat“, rechnete Red-Bull-Berater Helmut Marko vor.

Noch wird in Milton Keynes für Updates am Einsatzfahrzeug geforscht, wenngleich nicht mehr mit höchstem Druck. Außerdem muss Red Bull einkalkulieren, dass die Mechaniker mehr Motoren wechseln müssen als erlaubt, was zu einer Strafe in der Startaufstellung führt. „Wir haben einen Plan, der eine möglichst effiziente Weiterentwicklung vorsieht“, sagte Teamchef Christian Horner vor Ungarn, „es gibt keine Pläne, da abzuweichen. Außerdem ist alles, was wir mit dem Auto lernen, auch nächstes Jahr relevant.“

Dass auch bei Red Bull nicht alles wunschgemäß funktioniert, hat das Quali-Ergebnis in Budapest verdeutlicht, wo Verstappen nur Zehnter wurde, weil er erst selbst patzte und dann der Motor bockte. „Es ist ein großer Vorsprung, aber es kann noch jede Menge passieren“, sagte der 24-Jährige. Der Niederländer befindet sich auf einem geraden Weg hin zum zweiten WM-Titel und zur Alleinherrschaft in dieser Saison – so wird es auch kommen, wenn Ferrari die Fehlerquote nicht markant minimiert und Mercedes das Entwicklungstempo nicht steigert.