Es war ein nervenaufreibendes Rennen, doch am Ende stand wieder einmal Lewis Hamilton ganz oben auf dem Podest. Foto: AFP/BRYN LENNON

Nach vier Starts feiert Lewis Hamilton den Sieg in Mugello – Ferrari ist zu langsam, Sebastian Vettel enttäuscht als Zehnter.

Mugello/Stuttgart - Rennen auf italienischem Boden scheinen im Corona-Jahr einen gewissen Chaos-Faktor zu bieten. Nachdem ein wilder Grand Prix in Monza vor einer Woche ein Podium der Außenseiter (Pierre Gasly vor Carlos Sainz und Lance Stroll) hervorgebracht hatte, gab es auch beim Großen Preis der Toskana in Mugello einen ziemlich vogelwilden Rennverlauf mit heftigen Kollisionen und drei Saftey-Car-Phasen sowie zwei Rennunterbrechungen. Doch im Gegensatz zum Grand Prix in der Lombardei sorgten die mannigfaltigen Kapriolen der Piloten in der Toskana nicht für einen völlig unerwarteten Rennausgang.

Lewis Hamilton, der Dauersieger und designierte Weltmeister 2020, gewann das turbulente Rennen – es war der 90. Rennerfolg des Briten, der damit nur noch einen hinter der Rekordmarke von Michael Schumacher rangiert. Platz zwei holte sich Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas (Finnland). Es war ein geordnetes Chaos in der Toskana. „Es waren drei Rennen an einem Tag“, sagte Hamilton, der den sechsten Saisonsieg gesammelt hatte, „aber es war ein schwieriges Rennen, Valtteri stets hinter mir zu halten, das war nicht so einfach. Ich musste mich immer wieder neu fokussieren bei den Restarts.“ Bottas muss sich an seinen Stammplatz zwei gewöhnen. „Ich konnte Lewis nach den Restarts nicht mehr angreifen“, sagte der Finne, „ich werde weiter Druck auf ihn machen.“

Keine ungetrübte Freude bei Red Bull trotz Platz drei

Dritter wurde Alexander Albon, was bei Red Bull für Podiumsfreude sorgte. Allerdings nicht für eine gänzlich ungetrübte. Denn die gefühlte Nummer eins des Getränketeams, Max Verstappen, war gleich in Runde eins schuldlos aus dem Rennen katapultiert worden, und Red-Bull-Berater Helmut Marko stöhnte hernach: „Wir hätten den Speed gehabt, wenn ich mir den Reifenverschleiß bei Mercedes anschaue – das wäre unser Rennen gewesen. Deprimierend.“ Albon stand erstmals auf dem Podium und strahlte. „Es lief gut, ich bin wahnsinnig glücklich“, sagte der britisch-thailändische Pilot, „es war eine ordentliche Belastung mit den zahlreichen Neustarts.“

Mit Platz drei wären sie ausgerastet vor Begeisterung bei Ferrari. Doch das Wunder von Mugello fand nicht statt, der nicht konkurrenzfähige Bolide SF 1000 erlaubte keine Überraschung. Charles Leclerc belegte lediglich Rang acht, Sebastian Vettel wurde Zehnter. Der Monegasse Leclerc erklärte vor dem Start, er wolle wenigstens „ein paar Punkte“ mitnehmen, der Heppenheimer Vettel hoffte auf ein „gutes Reifenmanagement und eine erfolgreiche Strategie“. Mit einer reichlich wohlwollenden Betrachtung sind die Hoffnungen gerade noch so erfüllt worden – auch deshalb, weil von 20 gestarteten Autos lediglich zwölf an der Zielflagge vorbeifuhren. Ferrari befindet sich in der größten Krise in der Formel-1-Geschichte.

Ferrari-Chef hält sich mit Kritik zurück

Die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Schon vor dem Großen Preis, bei dem die Scuderia zum 1000. Mal in einem Formel-1-Grand-Prix gestartet war, rechnete niemand mit einer Party in Rot auf der firmeneigenen Rennstrecke. Es ging um Schadensbegrenzung, darum, dass sich Ferrari nicht gänzlich von der Konkurrenz düpieren ließ. Die Scuderia hat sich mit der Nebenrolle arrangiert. Schon bei der Gala zum Jubiläum am Vorabend in Florenz hatten die Bosse die Erwartungen niedrig gehalten und mit gebremsten Emotionen gefeiert. „Wir schauen schon nach vorne und denken bereits an die nächsten Tausend“, sagte Ferrari-Chef John Elkann bei der Veranstaltung mit einem Showprogramm, bei der wegen Corona nur wenige geladene Gäste anwesend waren, „wir wollen weiterhin unseren Teil dazu beitragen, den Sport größer und spektakulärer zu machen, aber die DNA zu bewahren.“

Elkann bedankte sich bei den Fans, die mit dem Rennstall eine schwere Zeit durchmachen: „Das war eine schwierige Saison. Aber ich weiß, dass wir die richtigen Leute haben, die es uns erlauben werden, wieder zu gewinnen.“ Es herrscht Kuschelkurs, Teamchef Mattia Binotto und seine Führungscrew scheinen trotz der desaströsen Saison nicht um ihre Posten bangen zu müssen. Ferrari schaffte bei 1000 Starts 238 Siege, auf Nummer 239 müssen die Ferraristi noch lange warten.