Formuliert für seine Partei auf dem Berliner Bundesparteitag einen klaren Gestaltungsanspruch: FDP-Vorsitzender Christian Lindner. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner macht auf dem Bundesparteitag klar, dass die Liberalen wieder gestalten wollen. Das muss durchaus nicht an der Seite der Union sein.

Berlin - Irgendwann gegen 12.30 Uhr an diesem Samstag machen die Delegierten des FDP-Bundesparteitags in Berlin eine erstaunliche Entdeckung: Sie haben einen Parteivorsitzenden, der regieren will. Christian Lindner, der noch 2017 die Tür für eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen krachend zugeschlagen hatte, macht in seiner Rede klar, dass die Liberalen die Zeit in der Opposition nun lange genug erlitten haben. Lindner unterstreicht das so deutlich, wie es nur eben geht. Er wolle das „ganz persönlich mit mir verbinden“, sagt er. „Mein Ziel ist: Wir spielen nicht auf Platz, sondern auf Sieg. Wir wollen im nächsten Jahr für zukunftsorientierte Politik sorgen.“ Die FDP habe einen klaren „Gestaltungsanspruch“. Im Klartext also: Kurs aufs Regieren.

Lindner geht ins Risiko

Wenn er die Aussage so klar mit seiner Person verbindet, heißt das ja wohl auch: Verpasst die FDP 2021 die Regierungsbänke, dann brauchen die Liberalen einen neuen Vorsitzenden. Dieses Personalisieren ist auch ein Zugeständnis. Lindner ist längst nicht mehr unumstritten in der Partei. Der Ur-Fehler von 2017 hängt ihm immer noch an. Fehler? Nein, er sieht den Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen noch immer nicht als Fehler, sagt er in seiner Rede.

Dann allerdings folgen Sätze, die gar nicht anders zu verstehen sind als ein Eingeständnis. Er würde „den Abend heute anders gestalten“, formuliert er mit Blick auf die Nacht des Scheiterns der Gespräche. Er wäre doch besser mit der Botschaft an die Öffentlichkeit gegangen, dass die FDP sich in fünf für sie wesentlichen Punkten nicht durchsetzen könne. Dann hätte er „eine zweitätige Denkpause“ vorschlagen sollen.

„Das tat jetzt vielen gut“

In dieser Zeit hätte die Öffentlichkeit die FDP-Forderungen diskutiert und verstehen gelernt. „Und wir hätten vielleicht drei unserer Punkte bekommen.“ Denkpause statt Abbruch. An keiner anderen Stelle der Rede ist der Beifall größer. Das zeigt, wie sehr 2017 als Trauma in der Partei nachwirkt. Lindner weiß das. „Das tat jetzt vielen gut“, kommentiert er den langen Applaus an dieser Stelle.

Gegen solche retrospektiven Depressionen verschreibt Lindner die Hoffnung auf Regierungsverantwortung ab 2021. „Beim nächsten Mal säßen andere Personen am Tisch, die Verhandlungen würden anders ablaufen.“ Und überhaupt macht Lindner ganz klar: Die FDP wird überhaupt nicht auf Jamaika als Koalitionsmodell festgelegt. Er sieht nur eine Begrenzung: „Wir koalieren nicht mit Linkspartei und AfD.“

Lindner unterstreicht Unabhängigkeit von der Union

Was im Umkehrschluss eben auch heißt: die SPD wäre als Partner selbst im Tandem mit den Grünen akzeptabel, wenn genug eigene Positionen durchsetzbar sind. Lindner ist bestrebt, die Unabhängigkeit von der Union ganz klar zu machen. „Die CDU gefährdet die Arbeitsplätze in der Automobilbranche“, sagt er.

Immer neue Klimaanforderungen machten der Branche das Überleben schwer. Das ist die schärfste Attacke auf einen politischen Gegner in der ganzen Rede. Wie passend, dass der neue Generalsekretär der Partei, der am Nachmittag gewählt wird, Volker Wissing heißt und in Rheinland-Pfalz in einer Koalition mit SPD und Grünen ziemlich störungsfrei das Amt des Wirtschaftsministers versieht.

Die alten Klassiker: Steuersenkung, Bürokratieabbau

Inhaltlich richtet Lindner die FDP für das kommende Wahljahr wieder ganz auf die Wirtschaftspolitik aus. „Ein neues Wirtschaftswunder“ soll die Pandemie-Delle vergessen machen. Dafür brauche es „Wirtschaftswunderpolitik“. Das bedeutet – und da ist dann auch wieder das immergrüne liberale Mantra – Steuersenkungen, denn Deutschland sei Weltspitze bei der Steuerbelastung. Dazu kommen die FDP-Klassiker Bürokratieabbau und eine Abkehr von der wieder verstärkten Schuldenpolitik.