Maddies Eltern Kate und Gerry McCann geben im Juli 2014 in Lissabon den Medien ein Interview. Foto: dpa/Mário Cruz

Die kleine Maddie verschwand vor 13 Jahren spurlos im Urlaub in Portugal. Nun gibt es einen Mordverdächtigen. Doch es gibt zahlreiche Vermisstenfälle, die bis heute mysteriös sind.

Stuttgart - Im Fall der vor 13 Jahren in Portugal verschwundenen Madeleine „Maddie“ McCann steht ein 43 Jahre alter Deutscher unter Mordverdacht. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach Angaben des Bundeskriminalamts gegen den Mann, der mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft ist.

Doch Maddie ist nicht das einzige Kind, dessen Schicksal ungeklärt ist. Jedes Jahr werden allein in Deutschland rund 100 000 Kinder und Jugendliche als vermisst gemeldet. Die Hälfte der Fälle klärt sich nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) innerhalb der ersten Woche auf, nach einem Monat sind 80 Prozent gelöst.

Viele Vermisste tauchen wieder auf

Viele der Vermissten sind laut BKA Ausreißer. Manche Kinder haben sich aber auch nur verlaufen, werden wenig später gefunden oder tauchen von allein wieder auf. „Bei dem verbleibenden Teil ist zu befürchten, dass diese Opfer einer Straftat oder eines Unglücksfalls wurden, sich in einer Situation der Hilflosigkeit befinden oder nicht mehr am Leben sind“, schreibt das BKA. Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst werden, bewegt sich laut BKA bei etwa drei Prozent.

Verbindung zum Fall Inga?

„Viele Eltern vermisster Kinder berichten, dass die Ungewissheit unerträglich ist“, erläutert Bettina Goetze. Die Kriminologin aus Magdeburg beschäftigt sich seit Jahren mit Vermisstenfällen, darunter den der kleinen Inga, die 2015 im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt verschwand. Unterdessen wurde bekannt, dass die Ermittler eine mögliche Verbindung zum Fall Maddie prüfen. Denn eventuell könnte der Sexualtäter Christian B. auch für das Verschwinden der fünfjährigen Inga verantwortlich sein. „Aus meiner Sicht ist ein Zusammenhang sicherlich überprüfungswürdig“, sagt Bettina Goetze. Allerdings solle dem BKA genügend Zeit eingeräumt werden, „potenzielle neue Hinweise zu sammeln und zu bewerten“. „Ein aktuell vermuteter Zusammenhang mit Inga käme sonst einer öffentlichen Vorverurteilung gleich.“

Keine Möglichkeit, Abschied zu nehmen

Die Kriminologin berichtet, dass am Anfang der Ermittlungen „natürlich immer die Hoffnung steht, dass sich das Schicksal eines Tages klärt“. Doch irgendwann werde Situation nahezu unerträglich, denn der Lebensalltag werde stets von der Frage dominiert, was mit dem Kind passiert ist: „Viele Eltern wünschen sich daher einen Abschluss. Auch wenn diese bittere Gewissheit mit einer furchtbaren Todesnachricht verbunden sein kann“, so Goetze. Dann könnten die Eltern, weitere Familienangehörige und Freunde zumindest Abschied nehmen und hätten einen Ort der Trauer.

Einige tauchen nie wieder auf

Doch immer wieder passiert es, das „der Schwebezustand“, wie die Kriminologin es nennt, jahrelang oder auch für immer bestehen bleibt. Denn einige Vermisste tauchen nie wieder auf. Im Fall Rebecca etwa wird seit fast eineinhalb Jahren nach dem Mädchen gesucht. Im Februar 2019 war die 15-jährige Schülerin aus Berlin nicht zur Schule gekommen, nachdem sie bei ihrer Schwester und deren Mann übernachtet hatte. Von dem Mädchen fehlt bis heute jede Spur. So verhält es sich auch bei Hilal Ercan: Die damals Zehnjährige verschwand am 27. Januar 1999 in Hamburg. Es war Zeugnistag – für ihre guten Noten hatte sich das Mädchen zur Belohnung Süßigkeiten kaufen dürfen. Doch von ihrem Ausflug ins Einkaufszentrum kam sie nie zurück. Das Bundeskriminalamt schreibt: „Falls eine Vermisstensache nicht aufgeklärt wird, besteht die Personenfahndung bis zu 30 Jahre weiter.“ Danach bleibt nur noch die Erinnerung.