„Das Hymen hat nichts mit Jungfrau sein zu tun“, heißt es in einem Flyer der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes (Symbolbild). Foto: Imago/Depositphotos

Für manche Frauen geht es in der Hochzeitsnacht nicht um Liebe, sondern vor allem ums erste Mal. Die Sorge, nicht zu bluten, geht oft auf falsche Vorstellungen zurück. Beratungsstellen spüren das und versuchen mit Kampagnen aufzuklären.

Mit Kampagnen und Broschüren versuchen Beratungsstellen über den „Mythos Jungfernhäutchen“ aufzuklären. Selbst in manchen aktuellen Biologiebüchern würden veraltete Darstellungen vermittelt, sagt Gianna Gentili vom Stuttgarter Mädchen*gesundheitsladen. Wichtig sei ihnen, in Workshops den aktuellen Stand der Wissenschaft zu vermitteln und dass verschiedene Lebensentwürfe okay sind, solange die Betroffenen selbst so leben wollen. „Es geht um Selbstbestimmung.“

Auch die Beratungsstelle Yasemin, die sich um Mädchen und Frauen kümmert, die von Zwangsheirat und Gewalt im Namen der „Ehre“ bedroht sind, berichtet: „Das Thema Jungfräulichkeit begegnet uns in Beratungen und Präventionsveranstaltungen immer wieder.“

Aufräumen mit Missverständnissen

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat festgestellt, dass der Bedarf an Aufklärungsmaterialien groß ist. „Wir bekommen momentan wieder sehr viele Anfragen von Schulen, gynäkologischen Praxen und Beratungseinrichtungen, die unsere Flyer und Broschüren zum Mythos Jungfernhäutchen anfragen“, berichtete Lena Henke, Referentin für sexuelle und reproduktive Rechte.

Der Verein hat jüngst eine neue Aufklärungsbroschüre mit dem Titel „Es gibt kein Jungfern-Häutchen: Informationen zum Hymen“ veröffentlicht.

Logo der Frauenrechtsorganisation Foto: dpa/Christoph Soeder

Diese räumt mit grundlegenden Missverständnissen auf: „Das Hymen hat nichts mit Jungfrau sein zu tun“, heißt es. Es gebe kein Stück Haut, das die Vagina verschließe und reiße, wenn ein Penis eindringt. Das Hymen sei eine Art Haut-Kranz, könne unterschiedlich aussehen, manche Frauen hätten gar keines. Und: Nicht immer blute es beim ersten Sex.

„Anatomische Fakten sind oft nicht klar“

Dinge, die auch Jutta Pliefke von Pro Familia in Berlin immer wieder erklärt. „Die anatomischen Fakten sind oft nicht klar.“ Unter den Frauen und Mädchen seien welche aus muslimischen, aber auch streng katholischen Familien und aus unterschiedlichen Ländern.

Die Frauen und Mädchen, die zu den Beratungsstellen kommen, stammen aus muslimischen, aber auch aus streng katholischen Familien und aus unterschiedlichen Ländern. Foto: Imago/Massimiliano Leban

„Das ist ein Dauerthema bei uns“, unterstreicht die Gynäkologin. Ähnlich äußert sich Valentina Sbahi vom Familienplanungszentrum Balance in Berlin. Zu ihr kämen Mädchen und Frauen auch aus anderen Bundesländern. Viele seien in Deutschland geboren und groß geworden.

„Patriarchat hat keine Herkunft“

Einfache Aufklärung im Biologieunterricht reicht nicht aus. Das hat auch Milena Aboyan festgestellt. Die Regisseurin hat mit „Elaha“ einen Film genau zu dem Thema gemacht, der für den Deutschen Filmpreis nominiert war. Sie habe vorher mit der deutsch-kurdischen Gemeinde gesprochen. „Wir waren der Meinung, dass es Zeit ist, darüber zu reden.“

Nun zeige sie den Film unter anderem in Schulen und erhalte viel positives Feedback, sagt Aboyan. Aus ihrer Sicht ist das Thema Jungfräulichkeit aber nur ein spezifisches Problem. „Das Patriarchat in der Gesellschaft ist allgemein ein Problem.“ Es gehe darum, dass Frauen und weibliche Körper sexualisiert werden. „Wir müssen die Narrative ändern.“

Das sei nicht nur Aufgabe der Frauen, betont Aboyan. Und es sei auch nicht nur ein Thema von Migrantinnen und Migranten. „Patriarchat hat keine Herkunft.“ Vergewaltigung in der Ehe sei bis 1997 in Deutschland kein Verbrechen gewesen.

Auch Jutta Pliefke warnt davor, auf andere zu zeigen. „Es nicht so lange her, da waren wir in Deutschland auch schamhaft.“ Die Idee, eine Braut müsse Jungfrau sein, sei noch in den 1950ern weit verbreitet gewesen.