Im Frühjahr streikten die Erzieherinnen für bessere Bezahlung. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Die Kinderbetreuung und die Verwaltung in der Landeshauptstadt leiden unter wachsendem Personalmangel. Nun liegen verschiedene Vorschläge zur Personalgewinnung und -pflege vor, darunter auch sehr umstrittene.

Wartelisten für Krippen- und Kitaplätze, Schlangen vor den Schaltern der Ämter und geschlossene Bürgerbüros sind alltäglich geworden. Ursache dafür ist unter anderem der Mangel an Fachkräften. Um Personal zu gewinnen, bezahlt die Stadt seit 1. Juli die Zulage Tarif plus, die 2014 für Personal im Erziehungs- und Sozialdienst eingeführt worden ist, nun auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Springerkräften in den Bürgerbüros, in der Führerscheinstelle und der Zulassungsstelle. 420 000 Euro sind dafür freigegeben.

Auch das Jobticket könnte den Beschäftigten den Weg in Stuttgarts Ämter ebnen. Doch der Bedarf kann wohl auf lange Sicht nicht durch Nachwuchskräfte gedeckt werden. „Der demografische Wandel setzt dem Wachstum Grenzen“, konstatiert das Referat für Jugend und Bildung. Dem Jugendhilfeausschuss werden kommende Woche weitere Vorschläge präsentiert, wie man Personal für die Kinderbetreuung, aber auch für die Verwaltung gewinnen und halten will. Zum Beispiel soll für Stellen in sogenannten Mangelbereichen eine Entfristung gelten. Ferner ist der Einsatz von Einarbeitungspaten und ein digitales Wissensmanagement in der Diskussion, auch die Personalwohnungen für Azubis von derzeit 120 Zimmern in Wohngemeinschaften und das Angebot von Dienstwohnungen für junge Familien sollen ausgebaut werden. Weil das mobile Arbeiten und Telearbeitsplätze „eine hohe Priorität bei der Wahl des Arbeitgebers“ haben, soll den Beschäftigten diese Option öfter als bisher eröffnet und eine „maximale Flexibilität beim Arbeitsumfang“ gewährt werden. Ein Lebensarbeitszeitkonto, die Auszahlung von berechtigten Überstunden und die Förderung der Weiterbildung stehen zur Debatte.

21 Maßnahmen listet die Stadt auf, die in den vergangenen zehn Jahren ergriffen worden sind, um als Arbeitgeber für Erzieher attraktiver zu werden. Sie reichen vom Übertarif bis hin zur laufenden Erhöhung der Plätze für die Praxisintegrierte Ausbildung und Einführung eines Stipendiums. Darüber hinaus hat die Stadt vorgeschlagen, wegen langer Bearbeitungszeiten das Anerkennungsverfahren für ausländische Fachkräfte zu vereinfachen. Das Kultusministerium habe daraufhin eine Personalaufstockung im Regierungspräsidium zugesagt. Die Anregung, den Fachkräftekatalog zu erweitern um pädagogiknahe Berufsgruppen und Nichtfachkräfte auf den Mindestpersonalschlüssel anzurechnen, sei vom Ministerium aus Qualitätsgründen bisher als nicht vertretbar abgelehnt worden und ist auch in Fachkreisen umstritten.

Kontrovers diskutiert wird ferner die Bezahlung von Gesundheitstherapeuten, musisch-technischem Personal oder angehenden Grund- und Hauptschullehrern entsprechend der Erzieherinnen in Entgeltgruppe S 8a; das entspricht je nach Erfahrung und Beschäftigungsdauer 2932 bis 3980 Euro pro Monat. Über die Kooperation mit Sport- und Musikvereinen für die Betreuung in Randzeiten hat das Land zu entscheiden, über die Erweiterung des Fachkräftekatalogs im Sinne vielfältiger Teams Land und Tarifpartner.

Auf wenig Gegenliebe stoßen zwei weitere Möglichkeiten. Die eine wäre, den Bedarf an Fachkräften zu senken, indem man die Gruppen für unter Dreijährige in den Kitas um ein Kind und die für über Dreijährige um zwei Kinder erhöht. Etwas verschwiemelt formuliert die Stadt, dass man auch an der Gebührenschraube drehen könnte, um den Bedarf über den Preis zu schrumpfen: „Die Nachfrageseite könnte durch eine entsprechende Gestaltung der Elternbeiträge insbesondere im Kleinkindbereich beeinflusst werden.“ Die Beratung findet im Jugendhilfeausschuss allerdings erst am 26. September statt.