Die Europäische Zentralbank steht vor einer schwierigen Entscheidung. Foto: dpa/Boris Roessler

Die Europäische Zentralbank (EZB) soll Preisstabilität gewährleisten. Doch der Krieg in der Ukraine erschwert den Kampf gegen die Inflation.

Frankfurt - Die Hoffnung auf eine Zinswende schwindet. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gab es zahlreiche Signale, dass die Europäische Zentralbank (EZB) diesen Donnerstag die Weichen für einen Ausstieg aus ihrer Billiggeldstrategie stellen würde. Doch wegen des Kriegs könnten die Währungshüter davor zurückscheuen. Die wichtigsten Argumente in der Diskussion über eine straffere Geldpolitik:

Wie stark kann die EZB die Inflationsrate beeinflussen?

Wenn die EZB die Zügel anzieht, verteuert das die Kreditaufnahme für Unternehmen und Verbraucher. Die Notenbank könnte so die Nachfrage dämpfen und damit auch den Preisauftrieb, argumentiert Edgar Walk von der Privatbank Metzler. Die EZB müsse deshalb bis zum Herbst die Geldspritzen absetzen, mit denen sie die Konjunktur päppelt.

Allerdings geht die Teuerungsrate geht vor allem auf die hohen Energiepreise zurück. Diese werden von der Diskussion über einen möglichen Ausfall russischer Öl- und Gaslieferungen getrieben. Eine straffere Geldpolitik werde den Preisdruck kaum lindern, meint Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. „Eine Deckelung der Gaspreise wäre weitaus effektiver.“

Wie groß sind die Risiken für die Konjunktur?

Trotz des Kriegs in der Ukraine sehen die meisten Ökonomen die Eurozone weiter auf Wachstumskurs. Die sehr langfristigen Inflationserwartungen sind deutlich gestiegen, „und die sollten eigentlich nicht an den Energiepreisen hängen“, sagt Michael Schubert von der Commerzbank. Dies spreche für eine Normalisierung der Geldpolitik.

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Wenn die EU-Staaten allerdings die Einfuhr von Gas und Öl aus Russland stoppen oder Moskau den Gashahn zudrehen sollte, drohe eine Rezession, schreibt Allianz-Expertin Katharina Utermöhl. Sie erwartet, dass die EZB angesichts dieser Unsicherheit die Entscheidung über ihren weiteren Kurs auf Juni verschiebt.

Was bedeutet die EZB-Entscheidung für den Euro?

Die Gemeinschaftswährung hat wegen des Kriegs in der nahen Ukraine zuletzt kräftig abgewertet. Wenn die EZB nichts unternimmt, „könnte der Euro noch stärker unter Druck geraten“, sagt Commerzbank-Analyst Schubert. Der Grund: Die US-Notenbank plant nächste Woche eine Leitzinserhöhung. Das wird die Attraktivität von Geldanlagen in Dollar weiter steigern – und damit den Greenback gegenüber dem Euro noch stärker machen. Die Folge wäre, dass für in Dollar gehandelte Rohstoffe wie Öl noch mehr Euro gezahlt werden müssten, was wiederum die Inflation anheizen würde.

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IMK-Direktor Dullien bezweifelt indes, dass die Entscheidung der EZB den Wechselkurs in der aktuellen Situation groß beeinflusst: „Für die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar sind nicht die Zinsen entscheidend, sondern die Flucht der Anleger in den sicheren Hafen USA.“

Muss die EZB um ihrer Glaubwürdigkeit willen handeln?

Mehrere Währungshüter hatten vor Kriegsbeginn signalisiert, dass die Notenbank den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren im Laufe des Jahres beenden könnte. Mit diesen Käufen pumpte die EZB in den vergangenen Jahren Billionen in die Märkte.

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„Die Botschaft der EZB muss konsistent sein“, meint Schubert. Die aktuelle Lage spreche weiterhin für eine Einstellung der Anleihekäufe im Herbst. „Natürlich ist die Unsicherheit aufgrund des Kriegs hoch. Die Notenbank könnte sich aber eine Wiederaufnahme der Käufe vorbehalten für den Fall, dass es beispielsweise zu einer Energiekrise aufgrund eines russischen Lieferstopps kommt.“

IMK-Direktor Dullien dagegen hält eine Kursänderung zum jetzigen Zeitpunkt für riskant. „2008 hat die EZB auf den Anstieg der Inflationsraten mit einer Zinserhöhung reagiert, was die Folgen der US-Immobilienkrise für europäische Banken verschärft hat. 2011 vertieften Zinserhöhungen die Eurokrise“, sagt IMK-Direktor Dullien. „In der Ukraine-Krise erneut die Geldpolitik zu straffen, hielte ich deshalb für falsch.“