Simon Schempp gewann viermal WM-Gold, holte drei Olympische Medaillen und feierte zwölf Einzelsiege im Weltcup – nun beendet er seine Karriere. Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Nach Olympia 2018 kämpfte Simon Schempp immer wieder mit Verletzungen und suchte den Anschluss an die Weltspitze. Nun hat der Biathlet entschieden, Gewehr und Ski nur noch zum Vergnügen anzulegen.

Stuttgart - „Ich gehe mit einem Lächeln.“ Das sagt Simon Schempp am Donnerstag, als er auf seine lange Karriere zurückblickt – der 32 Jahre alte Biathlet hat mit diesen Worten seine Karriere beendet. Der Satz klingt keineswegs niedergeschlagen, der Sportler ist mit sich im Reinen, mit dem Schritt, das Gewehr und die Langlaufski nur noch zum Vergnügen anzulegen. „Ich hatte viele wunderbare Erfolge, ich verdanke dem Sport sehr viel“, sagt der viermalige Weltmeister, „ich trete jetzt zurück, weil ich meine Karriere nicht noch mit einem negativen Anstrich übertünchen will.“ Der Sportler, der der Skizunft Uhingen angehört, aber seit 2008 in Ruhpolding lebt, hatte nach mehreren Rückschlägen seit den Olympischen Spielen 2018 um den Anschluss zur Weltspitze gekämpft. Beim Weltcup in Oberhof Anfang Januar hatte er zwar gute Schießleistungen geboten, nur je ein Fehler im Sprint und in der Verfolgung, doch aufgrund seiner Laufleistung landete er auf den enttäuschenden Rängen 58 (Sprint) und 45 (Verfolgung). In den Wochen danach reifte der schon länger vorhandene Gedanke, endgültig aus dem Leistungssport auszusteigen. „Ich hatte einfach nicht mehr das nötige Körpergefühl“, erklärt der Massenstart-Weltmeister von 2017, „ich spürte in den Wettkämpfen, dass die nötige Leistungsfähigkeit nicht mehr vorhanden ist.“

Rückenschmerzen zermürbten Schempp

Dieses Gold von Hochfilzen war der größte sportliche Erfolg des Uhingers neben der Silbermedaille im Massenstart bei den Winterspielen vor drei Jahren in Südkorea. Damals stand Simon Schempp im 30. Lebensjahr, und sein Körper wollte vom Frühjahr 2018 nicht mehr so recht mitspielen im sportlichen Dreiklang zwischen Training, Wettbewerb und Erholung. Vor allem Rückenschmerzen quälten ihn – sie setzten ihn körperlich häufig matt und ihm psychisch zu. Er versuchte im Winter 2018/2019 ein Comeback – es war aussichtslos. Die WM 2019 in Östersund war unerreichbar, er brach die Saison vorzeitig ab. Ein Déjà-vu folgte im Winter darauf, die Leistungen reichten erneut nicht. Auch die WM 2020 in Antholz fand ohne den Schwaben statt, er kehrte danach zwar in den Weltcup zurück, doch fürs angeknackste Selbstvertrauen waren die Wettkämpfe kein Segen: Platz 21 im Sprint in Nove Mesto, in Kontiolahti die Ränge 45 (Sprint) und 43 (Verfolgung). Vor dieser Saison war der zwölfmalige Weltcup-Sieger in einem Einzelrennen endlich wieder schmerzfrei, doch sein Comebackversuch beim Weltcup in Oberhof zeigte ihm unmissverständlich seine läuferischen Grenzen auf. „Es lag nicht nur an den Ergebnissen von Oberhof, weshalb ich zurücktrete“, versichert Schempp, „aber das hat den Entschluss bekräftigt.“

Natürlich hat er den ultimativen Schritt nicht im stillen Kämmerlein daheim in Ruhpolding beschlossen, seine Partnerin Franziska Preuß (derzeit beste Deutsche im Biathlon-Weltcup) war von Beginn an eng mit eingebunden. Bei Michael Greis, mit dem Schempp 2012 Staffel-Bronze bei der WM in Ruhpolding gewann, hat er Rat eingeholt, weil „der Michi einer ist, der nicht das sagt, was ich hören will, sondern ehrlich ist“. Und weil der Füssener, der aktuell Trainer der polnische Biathlon-Damen ist, ja schon seine Erfahrungen mit einem Rücktritt hat. „Manchmal übersieht man ja irgendeine Auswirkung“, sagt Schempp. Sowohl Partnerin Preuß als auch Ex-Kollege Greis bestärkten ihn in seinem Entschluss.

Schempp will ein Studium beginnen

Der Blick zurück auf die Karriere ist für Simon Schempp ein angenehmer, außer Olympia-Gold hat er so ziemlich alles gewonnen, was die Sportart bietet. „Wenn man mir, als ich mit zwölf mit Biathlon begonnen habe, gesagt hätte, was ich alles erreiche“, erzählt er, „dann hätte ich es wahrscheinlich nicht geglaubt. Die positiven Eindrücke überwiegen bei Weitem.“ Wenn der zehnmalige deutsche Meister nach vorn blickt, hat er zwei Ziele im Visier seines Lebens: Er möchte in Rosenheim ein Wirtschaftsingenieur-Studium beginnen, die Bewerbung ist abgeschickt, auf die Zusage wartet er aber noch. Und daneben möchte Schempp dem Biathlon erhalten bleiben – er hat dem Deutschen Skiverband (DSV) angeboten, im Jugendbereich am Stützpunkt Ruhpolding seine Erfahrungen sowie sein Wissen weiterzugeben. „Ich arbeite gern mit Kindern“, betont er. Und wenn Simon Schempp irgendwann vom Parkplatz in die Chiemgau-Arena marschiert, dann wird der Mann, der mit einem Lächeln aus dem Spitzensport gegangen ist, wieder mit einem Lächeln zurückkommen.