Historischer Schritt für die Evangelischen Kirchengemeinden von Hedelfingen sowie Rohracker-Frauenkopf: Sie haben sich zu einem Zusammenschluss zu einer Gesamtkirchengemeinde entschlossen.
Hedelfingen-Rohracker - Der 1. Januar 2021 wird in die Analen der evangelischen Kirchengemeinden von Hedelfingen sowie von Rohracker-Frauenkopf eingehen. Denn: „Wir haben uns offiziell zur Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Hedelfingen-Rohracker-Frauenkopf zusammengeschlossen“, erklären Pfarrerin Renate Kleinmann, Harald Haury, der erste Vorsitzende des Hedelfinger, und Heinz Eberspächer, der erste Vorsitzende des Rohracker Kirchengemeinderats. Dieser historische Schritt war sorgfältig geplant.
Er ist aus der Not geboren: 2017 wurde der neue Pfarrplan 2024 für das Dekanat Bad Cannstatt konkret. Da die Zahl der Kirchengemeindemitglieder deutlich sinkt, muss die Zahl der Pfarrstellen angepasst werden. „Für uns bedeutete dies, dass nach dem Ausscheiden des Hedelfinger Pfarrers Wilhelm Kautter im Sommer 2019, die Stelle nicht wieder besetzt wird. Die beiden Kirchengemeinden werden somit nur noch von einer gemeinsamen Pfarrstelle betreut“, sagt Eberspächer. Für die beiden Kirchengemeinden stellte sich eine zentrale Frage: Was tun? Den Kirchengemeinderäten war bewusst, dass schmerzliche Einschnitte und Kompromisse notwendig würden. „Immerhin blicken Rohracker wie Hedelfingen auf eine bis ins Mittelalter reichende kirchliche Tradition zurück. Und es gibt lokalen Eigensinn und Eigenheiten“, sagt Haury.
Die Mitglieder der Kirchengemeinden wurden in Gemeindeversammlungen befragt, welche Bereiche ihnen wichtig sind. Die beiden Kirchengemeinden setzten sich zusammen und überlegten, wie ein gemeinsamer Weg gegangen werden könnte. Durch den Kreuzchor gab es auf Distriktebene schon gemeinsame, vorbildliche Aktivitäten und Verbindungen. Wieso sollte die Harmonie beim Gesang nicht auch bei anderen Dingen erreicht werden? „In konstruktiven, offenen und fairen Diskussionen suchten wir einen Weg, den beide Gemeinden mitgehen und dabei ihre Traditionen weiterpflegen können“, sagen Eberspächer und Haury. Gemäß den Wünschen der Kirchenmitglieder wurden sechs Arbeitsgruppen zu wichtigen Themen gebildet. Meinungsverschiedenheiten mussten überwunden, manche Kröte geschluckt werden. Da der Sitz des gemeinsamen Pfarramts in Rohracker sein würde, mussten die Hedelfinger den Verlust eines Pfarrers im Pfarrhaus vor Ort verschmerzen. Letztendlich schnürten die Hedelfinger und Rohracker ein austariertes Gesamtpaket.
Herausgekommen ist eine sorgfältig ausgeklügelte Konstruktion: Zusammenschluss als Gesamtkirchengemeinde statt Fusion. „Beide Gemeinden behalten dabei formal ihre Selbstständigkeit mitsamt dem Eigentum an ihren Kirchen, sonstigen Liegenschaften und Vermögensrücklagen, legen aber ihre Gemeinde- und Gremienarbeit und die Haushaltsführung im Prinzip vollständig zusammen – dank eines Gesamtkirchengemeinderats, der aus den Kirchengemeinderäten beider Gemeinden besteht“, sagt Kleinmann. Der Vorteil: Zwei volle Kirchengemeinderäte bedeuten auch doppelte Manpower für die wachsenden Arbeiten.
Das Zusammenwachsen hat bereits konkrete Züge angenommen. Die beiden Kirchengemeinderäte tagen seit mehr als einem Jahr gemeinsam und verstehen sich als Team. Das musikalische Abendlob findet jeweils am fünften Sonntag im Monat statt, ein erweitertes Angebot für Familien mit kleinen Kindern ist entstanden und an Heiligabend haben die beiden Gemeinden zehn Corona-bedingte Gottesdienste organisiert. Im Wechsel wird der Gottesdienst in Rohracker/Frauenkopf oder in Hedelfingen gefeiert. „Man entdeckt und besucht die Gottesdienste und Angebote hüben wie drüben. Die Ortsgrenzen verschmelzen“, sagen Haury und Eberspächer.
Die nächste Herausforderung steht den Kirchengemeinden bevor: Pfarrerin Kleinmann geht im Herbst in Ruhestand. „Mit viel Fingerspitzengefühl hat sie den Prozess, der zum Zusammenschluss führte, moderiert und uns mit ihrer Art mitgerissen“, sagen Haury und Eberspächer. Die beiden Vorsitzenden sind jedoch zuversichtlich, dass sie eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger finden – gemeinsam.