Energie aus Wind und Sonne sollen Europa zu mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen sorgen. Doch der Ausbau alternativer Energien geht langsam voran. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Wegen der steigenden Energiekosten drohen die Wohnungen vieler Menschen im Winter kalt zu bleiben. Die Suche nach einer Lösung, wie der Energiekostenanstieg gebremst werden kann, gestaltet sich schwierig.

Brüssel - Bei Europas Regierungen schrillen die Alarmglocken. Wegen des massiven Anstiegs der Energiepreise drohen viele Menschen im kommenden Winter in kalten Wohnzimmern zu sitzen. Manche EU-Politiker vor allem aus den ärmeren Staaten befürchten sogar gewaltsame Proteste in ihren Ländern.

Um die Preise unter Kontrolle zu bekommen, haben sich deshalb am Dienstag die Energieminister der EU zu einem Sondergipfel getroffen. Doch die Positionen der einzelnen Länder liegen sehr weit auseinander, sodass eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen nicht möglich war. Allein über die kurzfristigen Möglichkeiten, die Preisexplosion zu puffern, herrschte Einigkeit. Die EU-Kommission hatte bereits vor zwei Wochen einen Werkzeugkasten mit Maßnahmen vorgelegt, die Staaten national gegen die hohen Preise einsetzen können – zum Beispiel Steuersenkungen oder Subventionen für kleine Unternehmen. Mehrere Regierungen haben solche Maßnahmen bereits umgesetzt, so werden etwa in Frankreich an ärmere Haushalte 100-Euro-Schecks verteilt.

Deutschland ist gegen tief greifende Reformen der Energiemärkte in Europa

Länder wie Spanien oder Frankreich, die von der Energiekrise besonders stark betroffen sind, wollen allerdings sehr grundsätzliche Veränderungen auf Ebene der Europäischen Union, um auch in Zukunft hohe Energiepreise zu vermeiden. So hat Madrid schon sehr früh den Vorschlag eingebracht, gemeinsame Gasreserven anzulegen und auch zusammen Gas einzukaufen. Das wird allerdings von Deutschland vehement abgelehnt.

Zusammen mit einer Gruppe von acht anderen Ländern spricht sich Berlin in einem gemeinsamen Positionspapier gegen tief greifende Reformen der Energiemärkte in Europa aus. Die Unterzeichner pochen auf marktwirtschaftliche Lösungen. „Unserer Meinung nach geben die Preissteigerungen keinen Anlass, in den europäischen Binnenmarkt einzugreifen“, sagte der deutsche Staatssekretär Andreas Feicht während der öffentlichen Debatte in Luxemburg. „Freie Preisbildung und wettbewerbliche Märkte sind eine zentrale Grundlage, um unsere Energieversorgungssicherheit weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten, wichtige Innovationen für die Energiewende voranzutreiben und Energie bezahlbar zu halten.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits auf dem EU-Gipfel vergangene Woche darauf hingewiesen, dass in Deutschland der Energiesektor, im Gegensatz zu anderen Ländern, privatwirtschaftlich geregelt ist. Man könne die Firmen kaum dazu zwingen, gemeinsam Gas einzukaufen, sagte sie ungewohnt deutlich in Brüssel.

In dem Positionspapier der Staaten wird auch ein Punkt angesprochen, der in Luxemburg umstritten war und auch in Zukunft heftige Debatten auslösen wird. Dort heißt es, dass auf mittlere Sicht der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien helfen werde, unabhängiger von Gasimporten zu werden. Das bedeutet, der angestrebte „grüne Umbau“ der Union ist vor allem in den Augen von Deutschland die Lösung des Problems. Das sehen aber einige EU-Länder ganz anders. Polen und Ungarn, wo die schmutzige Kohle ein wichtiger Energieträger ist, sind der Überzeugung, dass dieser europäische Green Deal ein wesentlicher Grund für die Preissteigerungen ist.

Im Fokus der Diskussionen steht auch die Renaissance der Atomenergie

Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, wehrt sich vehement dagegen, dass nun versucht werde, den Klimapakt der EU zu verwässern. „Langfristig müssen wir unabhängiger werden von fossilen Brennstoffen“, erklärt der CDU-Politiker, das sei wie ein „Impfstoff gegen hohe Energiepreise“.

Im Fokus der Diskussionen steht plötzlich auch wieder eine Renaissance der Atomenergie. Vor allem Frankreich mit seinen vielen Kernkraftwerken setzt sich angesichts der steigenden Energiekosten dafür ein, dass die Meiler als klimafreundlich eingestuft werden. Das könnte Kredite für solche bisher umstrittenen Projekte als „grünes Investment“ verbilligen. In seinen Bemühungen scheint Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Erfolg zu haben, denn die EU-Kommission ließ zuletzt immer wieder durchblicken, dass Kernkraft durchaus einen Anteil am Energiemix der Zukunft haben könnte.