Musiker und Tourette-Aktivist Jean-Marc Lorber. Foto: Spellfirejamal/Lorber

Seit etlichen Jahren leidet der Stuttgarter Musiker Jean-Marc Lorber am Tourette-Syndrom. Im Interview erklärt er, wie man mit Betroffenen am besten umgeht und was man auf keinen Fall tun sollte.

Wer mit dem Stuttgarter Künstler Jean-Marc Lorber über Tourette spricht, bekommt den Eindruck: Das Problem ist weniger die Krankheit als der Umgang damit.

Jean-Marc Lorber, am kommenden Dienstag, 7. Juni, ist European Tourette Syndrome Awareness Day. Ein echter Zungenbrecher.

Und ein Name, den man im Winter nicht in den Schnee pinkeln kann.

Was soll uns dieser 7. Juni sagen?

Das ist der europäische Tag der Achtsamkeit gegenüber Tourette-Betroffenen. Er wurde 2013 ins Leben gerufen. Inzwischen gibt ja für alles Awareness-Tage. Neulich war Tag des Purzelbaums. Am vergangenen Freitag war, glaube ich, Tag für Narzismus-Opfer. Letztlich geht es am 7. Juni darum, die Leute mehr für das Tourette-Syndrom zu sensibilisieren.

Warum ist das aus Ihrer Sicht notwendig?

Es geht einfach um Aufklärung, und darum, den Leuten zu sagen, dass Menschen, die das Problem haben, absolut klar im Kopf sind. Entsprechend werden Betroffene bei Behördengängen oder Bewerbungsgesprächen oft behandelt – nur weil sie halt kurz mal ihre Tics haben und sich dabei beispielsweise wie ich an den Kopf schlagen.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Klar, erst vor kurzem war ich in einer Apotheke, um für eine Freundin, die sich verletzt hatte, ein Kühlpad zu holen. Die Frau hinter der Theke hat ganz normal mit mir gesprochen. Dann hatte ich zwei Tics und habe mir gegen den Kopf gehauen. Als sie mit den Kühlpads zurückkam, hat sie mit mir wie in Zeitlupe gesprochen.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe ganz normal geantwortet. Kurz habe ich mir überlegt, in Zeitlupe zu antworten, aber das hätte sie vermutlich nur bestätigt. Das ist überhaupt ein Problem, auf das Menschen mit einem Sprechproblem stoßen: Dass man meint, in ihrem Kopf sei was nicht in Ordnung.

Oder Menschen, die gekrümmt in einem Rollstuhl sitzen.

Absolut. Ich erinnere in dem Zusammenhang gern an den verstorbenen Astrophysiker Stephen Hawking, einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts. Bei Tourette geht es mir auch darum, mit Stereotypen aufzuräumen. Die Krankheit äußert sich eben nicht in erster Linie darin, dass die Betroffenen unkontrolliert Kraftausdrücke von sich geben.

Angenommen, wir wären zufällig miteinander ins Gespräch gekommen und Sie hätten die Tics, was wäre eine angemessene Reaktion meinerseits?

Als offener Mensch sollte man versuchen, das erst mal auszublenden, so nach dem Motto: Der hat wohl was, aber jetzt schauen wir erst mal. Eine andere Möglichkeit ist es, die Leute freundlich darauf anzusprechen. Wir haben unter Tourette-Betroffenen mal eine Umfrage gemacht. Die meisten meinten, es sei ihnen recht, angesprochen zu werden. Das ist jedenfalls viel besser, als die Leute einfach nur anzustarren.

Wie begehen Sie den Tourette-Tag?

Die letzten Jahre haben wir mit unserer Selbsthilfegruppe Videos gedreht und ins Netz gestellt. Während Corona ist das etwas eingeschlafen. Dieses Jahr werde ich selbst ein paar Video zum Thema hochladen.

Wo kann man die anschauen?

Auf Instagram unter #tourettesawarenessday. Außerdem habe ich einen Hashtag kreiert, der heißt #tolerants. Und man findet mich im Netz unter meinem Künstlernamen Spellfirejamal.