Auch Entlang der Pragstraße wird die Luft gefiltert, um die Schadstoffwerte zu senken. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Land versucht, mit neuen Berechnungen und einem 47 Seiten starken Schriftsatz das neue zonale Fahrverbot in Stuttgart zum 1. Juli zu verhindern. Der Kläger Umwelthilfe pocht auf Umsetzung und wirft dem Land Tricks vor.

Stuttgart - In den nächsten Wochen will das Verwaltungsgericht über das zum 1. Juli anstehende Dieselfahrverbot für Euro 5 in der Stadtmitte, Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen entscheiden. Das Land plädiert in seiner Abwehrklage dafür, das Verfahren bis Herbst aufzuschieben, dann lägen „echte Messwerte für neun Monate vor“. Die Prognose für die Stickstoffdioxidbelastung 2020 sei dann überschaubar. So könne man „vollendete Tatsachen vermeiden“.

Die Stadt erklärte am Mittwoch, Verbotsschilder sollten „in Kürze“ aufgestellt werden. Betroffen seien stadtweit 18 746 Euro-5-Diesel, es gebe keine Übergangsfrist. Ausnahmen gelten für Softwareupdates (bis 30. Juni 2022) und Hardware-Nachrüstung (unbegrenzt). Einzelausnahmen können sofort beantragt werden.

Die kleine Zone reicht aus

Der Anwalt des Landes plädiert dafür, Euro-5-Diesel nicht wie vom Bundesverwaltungsgericht festgelegt aus der ganzen Stadt, sondern nur der beschriebenen Zone auszusperren. Die Wirkung sei dieselbe. Nur in der Pragstraße ergebe die Prognoserechnung für 2020 mit 42 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel eine Überschreitung, das sei wegen der Verhältnismäßigkeit zulässig. Der Grenzwert liegt bei 40.

Durchgesetzt hat die Fahrverbote die Deutsche Umwelthilfe (DUH). „Für uns ist auch die kleine Zone in Ordnung, darüber hätte das Land mit uns reden können“, so DUH-Anwalt Remo Klinger. Einen Aufschub bis Herbst lehnt die Umwelthilfe ab. Die 2020 bisher unter dem Grenzwerte liegenden Monatswerte seien „durch Wetterextreme und die Coronakrise beeinflusst“.

DUH vermutet beschönigende Berechnung

Klinger verweist darauf, dass für die Berechnungen Emissionsfaktoren von Autos aus 2017 und nicht die in einem neuen Emissions-Handbuch 2019 nach oben korrigierten Werte verwendet worden seien. Sie kommen laut Umweltbundesamt dem Ausstoß im Realbetrieb näher, bedeuteten bei Euro 5 und Euro 6a/b/c-Dieseln aber um fünf bis 21 Prozent höhere Emissionen. „Mein Eindruck ist, dass da etwas hingebogen worden ist“, sagt Klinger.

Dem widerspricht das Verkehrsministerium. Man habe mit den Werten aus dem alten Emissions-Handbuch gerechnet, weil diese im Vergleich langer Meßreihen „näher an der Realität“ in Stuttgart lägen.