Ein Patient aus Frankreich wird in eine Klinik in Luxemburg verlegt. Foto: AFP/Jean-Christophe Verhaegen

Bislang haben nur drei EU-Länder Corona-Patienten aus einem Nachbarland aufgenommen: Deutschland, Luxemburg und Österreich.

Brüssel - Seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa haben erst drei Mitgliedsländer Schwerkranke aus Risikogebieten anderer Länder aufgenommen. Im größeren Stil haben dies das kleine EU-Mitgliedsland Luxemburg sowie Deutschland getan. In einem deutlich geringeren Umfang hat auch Österreich Plätze auf Intensivstationen zur Verfügung gestellt. Deutschland ist hier bislang am weitesten gegangen: Mittlerweile sind Corona-Patienten aus Frankreich und Italien in fast allen 16 Bundesländern untergebracht. Neuerdings kommen auch Patienten aus den Niederlanden hinzu, die etwa in Münster versorgt werden. In Baden-Württemberg wurden bisher 23 Patienten aus dem Elsass behandelt. Da in einigen Landkreisen im Südwesten nun auch die Intensivbetten knapp werden, hat die Landesregierung die Krankenhäuser inzwischen aufgefordert, keine Patienten mehr aus Frankreich aufzunehmen. Patienten aus Ostfrankreich wurden dafür kürzlich nach Kiel, Lübeck und Berlin verlegt.

Rund um die Uhr erreichbar

Bislang wurden diese Hilfsaktionen der europäischen Solidarität lokal organisiert, etwa unter Partnerstädten. In Zukunft sollen die Fäden in Brüssel bei der EU-Kommission zusammenlaufen. Kliniken in ganz Europa sind aufgerufen, ihre freien Intensivbetten an das Zentrum für die Koordinierung der Nothilfe (ERCC) melden. Das ERCC ist rund um die Uhr sieben Tage die Woche erreichbar. Es stellt dann den Kontakt zu der Klinik her, die Kapazitäten frei hat. Die EU-Behörde koordiniert den Transport in die neue Klinik und ist auch bereit, sich an den Transportkosten zu beteiligen. Die Kommission legt den Mitgliedsländern nahe, in der Notfallsituation pragmatisch mit der Begleichung der Rechnungen umzugehen. Grundsätzlich sei es aber so, dass die Krankenhauskosten von dem Mitgliedstaat bezahlt werden muss, aus dem der Patient stammt.

Die Initiative für die Zusammenarbeit der Kliniken mit Notfallkapazitäten in der EU kam vom Robert-Koch-Institut. Bereits vor drei Wochen hatte die christdemokratische Fraktion im Europa-Parlament EVP eine entsprechende Forderung beschlossen. Der CDU-Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese, sieht eine moralische Pflicht bei den Mitgliedstaaten, die bislang noch nicht so schwer getroffen sind: „Es ist dringend erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten ihre freien Bettenkapazitäten melden und den Regionen wie Norditalien, Ostfrankreich und Madrid helfen.“ Dort kämpften Ärzte und Pfleger verzweifelt um das Leben der Menschen, haben aber vielfach keine Kapazitäten mehr. Die Krankheit treffe die Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten: „Diejenigen, die heute Hilfe leisten, werden morgen über die Hilfe der anderen dankbar sein.“

Stimmung gegen Deutschland

Aus Italien wird berichtet, dass sich eine feindselige Stimmung gegenüber Deutschland breitmacht. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung eine gemeinsame Schuldenaufnahme aller EU-Länder ablehnt.

Liese mahnt jetzt die Mithilfe aller Mitgliedstaaten an: Wenn die Europäer nicht solidarisch bei der Gewährung von medizinischer Nothilfe seien, könne das Corona-Virus die Europäische Union zerstören. „Menschen, die sterben, weil nicht mehr genügend Kapazitäten vorhanden sind, während in Nachbarländern noch viele Betten leer stehen, wären ein Zeichen für das Versagen der EU.“ Liese erinnerte daran, dass während der Ebola-Krise Patienten aus Westafrika in die EU eingeflogen wurden. „Warum zum Teufel ist es nicht möglich, dass Patienten aus Italien und Spanien auch in Irland, Skandinavien und Osteuropa behandelt werden?“

Unterdessen hat die EU-Kommission beschlossen, die Anwendung der neuen Medizinprodukte-Richtlinie um ein Jahr zu verschieben. Der Grund ist, dass das neue EU-Recht Herstellern von Medizinprodukten viele neue bürokratische Regelungen abverlangt hätte. In einer Situation, in der händeringend Beatmungsgeräte gesucht werden, wolle man die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Vorschriften belasten.