Polen und Ungarn blockieren das Finanzpaket. (Archivbild) Foto: dpa/Michael Kappeler

Beim Gipfel im Video-Format mit Angela Merkel wurde nicht einmal versucht, den Streit mit Polen und Ungarn beizulegen. Die Fronten bleiben verhärtet

Brüssel - Die Debatte dauerte nur 16 Minuten. So viel Zeit brauchte Angela Merkel, um die verfahrene Lage im Streit mit Polen und Ungarn zu skizzieren, sowie die Ministerpräsidenten von Polen und Ungarn, um ihr Veto zu bekräftigen. Das Rekordtempo zeigt wie ernst es ist. Es wurde nicht einmal der Versuch unternommen, eine Lösung zu finden.

Die EU ist wieder im Krisenmodus. Ungarn und Polen haben Widerspruch gegen das Finanzpaket der Zukunft eingelegt, bestehend aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen MFR (1073 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027) sowie dem Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro. Sie zielen damit aber nicht gegen die Beschlüsse des vier Tage langen Gipfels im Sommer zu den Finanzen, sie wollen vielmehr den Beschluss kippen, der vorsieht, dass Mitgliedstaaten die EU-Gelder gekappt werden können, wenn sie sich nicht an die rechtsstaatlichen Regeln halten.

Keine Rechtsstaatsdebatte mehr

Laut den EU-Verträgen bedarf es nur einer Mehrheit unter den Mitgliedstaaten, um den so genannten Rechtsstaatsmechanismus zu starten. Daher hatten die Regierungen in Polen und Ungarn hier keine Möglichkeit der Blockade. Dafür versuchen sie nun, die anderen Mitgliedstaaten mit dem Geld zu erpressen, das alle so bitter nötig haben für den Neustart ihrer Wirtschaft. Für das Finanzpaket ist Einstimmigkeit gefordert. Vermutlich verheben sich Ungarns Viktor Orban und Polens Mateusz Morawiecki gerade. Sie sind im Kreis der 27 isoliert. Alle ihre Versuche sind bislang gescheitert, die schwer wirtschaftlich von der Corona-Krise getroffenen Länder wie Italien und Spanien für sich zu instrumentalisieren. Die Südländer, so das Kalkül in Warschau und Budapest, könnten schwach werden und aus Geldnot helfen, den Rechtsstaatsmechanismus aufzuweichen oder ganz zu beseitigen. Doch danach sieht es nicht aus. Beim Treffen der Europaminister am Dienstag haben Italien und Spanien den Rechtsstaatsmechanismus verteidigt.

Jetzt wurde der Streit erst einmal vertagt. Vermutlich versuchen die Staats- und Regierungschefs nun beim regulären Gipfel im Dezember, zu dem alle wieder nach Brüssel kommen wollen, eine Lösung zu finden. Klar ist dann aber, dass das Finanzpaket nicht pünktlich Anfang 2021 in Kraft treten kann.

Eine weitere Entschärfung des Rechtsstaatsmechanismus als möglicher Kompromiss dürfte ausscheiden. Das Europa-Parlament signalisiert, dass es dazu nicht die Zustimmung geben würde. Manfred Weber (CSU), Chef der größten Fraktion der christdemokratischen Parteienfamilie, sagt: „Wir werden nicht die Rechtsstaatsdebatte wieder aufschnüren.“ Reinhard Bütikofer (Grüne) sieht es ähnlich: „Das Europa-Parlament wird weder bereit sein, den bescheidenen Fortschritt aufzugeben, noch, Scheinlösungen zu akzeptieren.“