Olaf Scholz auf dem Weg zum Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Dort muss der Kanzler sich einige Kritik an der deutschen Haltung in der Energiekrise gefallen lassen. Foto: AFP/LUDOVIC MARIN

Beim EU-Gipfel in Brüssel suchen Staats- und Regierungschefs nach einem Weg durch die Energiekrise. In der Kritik steht vor allem Deutschland, dem mangelnde Solidarität vorgeworfen wird.

Olaf Scholz macht keine Hoffnung auf eine schnelle Einigung im Streit um die Gaspreise. Noch vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel erklärte der deutsche Kanzler, dass die EU-Kommission in diesen Tagen zahlreiche gute Vorschläge präsentiert habe. Die gelte es nun zu vertiefen, sagte Scholz am Rande des EU-Gipfels und schob dann vielsagend nach, „nicht nur heute, sondern auch bei späteren Gelegenheiten“. Im Klartext heißt das, dass einige Positionen der Staaten im Kampf gegen die hohen Energiepreise noch sehr weit auseinanderliegen.

Streit über einen Gaspreisdeckel

Uneinigkeit herrscht vor allem über einen Deckel für die Gaspreise. Frankreich, Italien und ein Dutzend andere EU-Staaten machen sich für eine solche Maßnahme stark. Gegen einen solch tiefen Einschnitt in den Mark stemmen sich vor allem Deutschland und die Niederlande. Sie verweisen auf mögliche Probleme bei der Versorgung mit Gas, weil Verkäufer den Rohstoff dann an andere Länder liefern könnten, die mehr zahlen. Vor allem aus Berlin ist der Einwand zu hören, dass gedeckelte Gaspreise die Verbraucher nicht zum Sparen anhalten würde, das sei aber entscheidend, um ohne größere Probleme über den nächsten Winter zu kommen. Die EU müsse sich auf Konzepte einigen, die auch funktionieren, sagte Scholz. „Niemand möchte Beschlüsse fassen, wo es hinterher theoretisch gut ist, aber kein Gas gibt“, betonte der Kanzler.

Der deutsche Regierungschef hob hervor, dass die EU in anderen Bereichen bereits weitreichende Einigungen erzielt habe. So sei es nun für europäische Firmen möglich, gemeinsam Gas einzukaufen. Ziel ist es, die Marktmacht zu nutzen, um die Preise zu drücken. Noch in diesem Jahr hatten sich die Länder auf dem Gasmarkt teils gegenseitig überboten und auf diese Weise die Preise in fast astronomische Höhen getrieben. Die Bündelung der Nachfrage soll für die Unternehmen allerdings nur zum Teil verpflichtend sein. Ungarns Regierungschefs Viktor Orbán ließ bereits wissen, was er von dem Plan hält. Dieser erinnere an die gemeinsamen EU-Einkäufe von Corona-Impfstoff: „langsam und teuer“. Er erwarte dazu eine große Diskussion beim Gipfel.

Die EU will den Mitgliedern weiter helfen

Weitgehend einig sind sich die Staats- und Regierungschefs auch, dass im Kampf gegen die hohen Energiepreise die EU noch einmal Geld an die bedürftigen Staaten nachschießt. Bundeskanzler Scholz betonte in Brüssel, dass aus mehrere EU-Töpfen sehr viel Geld noch nicht abgerufen worden sei. Damit nahm er eine Idee von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf, die in diesen Tagen vorgeschlagen hatte, bis zu 40 Milliarden Euro ungenutzter Mittel aus dem EU-Haushalt freizumachen und damit private Haushalte und Firmen zu entlasten.

Scholz hofft offensichtlich, sich selbst damit etwas aus der Schusslinie der Kritik nehmen zu können. Denn die Bundesregierung will zum Ärger vieler Länder ein nationales Paket von bis zu 200 Milliarden Euro bis 2024 auflegen. Viele Staaten können sich eine solche Unterstützung für die heimische Wirtschaft und die eigenen Bürger jedoch nicht leisten. Sie dringen deshalb auf eine EU-Lösung - und werfen Deutschland vor, der eigenen Volkswirtschaft einen Wettbewerbsvorteil im gemeinsamen Binnenmarkt zu verschaffen.

Macron kritisiert die deutsche Haltung

Deutliche Kritik kam vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der den Kurs Deutschlands in der Energiekrise kritisierte. „Ich glaube, es ist nicht gut, weder für Deutschland noch für Europa, dass sie sich isolieren“, sagte Macron am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. „Wir müssen absolut unsere Einigkeit wahren.“ Er werde mit Kanzler Olaf Scholz zusammen an einer Lösung arbeiten. Der hat seine Haltung in dieser Sache aber auch in Brüssel noch einmal sehr deutlich gemacht. Er hält die Vorwürfe für unberechtigt, zumal in anderen Ländern wie Frankreich, Spanien und Italien ähnliche Milliardenprogramme aufgesetzt worden seien.