Ein mutmaßlicher Fall von Polizeigewalt schlägt im Netz hohe Wellen: Ein Beamter schlägt einem 19-Jährigen ins Gesicht, während dieser gerade in einer Videokonferenz ist. Die Polizei hat nun Stellung genommen und auch über Konsequenzen gesprochen.
Göttingen - Ein Polizist hat einem 19-Jährigen bei einem Einsatz in Göttingen ins Gesicht geschlagen. Ein Video des Vorfalls in der Wohnung des jungen Mannes hatte auf Youtube und Twitter für Aufsehen und Empörung gesorgt. „Was sich im Vorfeld der Entgleisung abgespielt hat, ergibt sich nicht im Detail“, erklärte die Polizei in einer Mitteilung am Sonntagnachmittag. Eine Sprecherin hatte zuvor bestätigt, dass es sich um Beamte aus Göttingen handelt.
Der Polizist und drei weitere Beamte seien am Donnerstagmorgen wegen einer wiederholten, „massiven Ruhestörung“ zu der Wohnung des 19-Jährigen gefahren, so die Sprecherin. Laut Mitteilung war es der dritte Einsatz allein an diesem Morgen. Auch in den Tagen zuvor hatte die Polizei wegen gleichlautender Beschwerden von Nachbarn zu der Wohnung ausrücken müssen. Während der Einsätze habe der junge Mann die Polizisten mehrfach beleidigt mit Äußerungen wie „Wichser, verpisst euch ihr Spastis, scheiß Bullen“, heißt es in der Mitteilung. Vor diesem Hintergrund habe der Beamte den jungen Mann geschlagen.
Nach einer erneuten Ruhestörung am Donnerstagabend nahmen die Polizisten den 19-Jährigen dann in Gewahrsam. Gegen ihn wurden Ermittlungen wegen Beleidigung und Ruhestörung eingeleitet. Diese Verfahren bleiben zur weiteren Bearbeitung bei der Polizei Göttingen.
Von der Existenz des Bildmaterials erfuhr die Polizei nach eigenen Angaben am Freitagvormittag über soziale Medien. Das Geschehen wurde ins Internet übertragen, weil der 19-Jährige zum Zeitpunkt des Einsatzes in einer Videokonferenz war. Die Übertragung wurde von anderen mitgeschnitten und später ohne Ton im Netz verbreitet.
Der Polizist, der den Schlag ausführte, konnte identifiziert werden
Der Polizist, der den Schlag ausführte, konnte identifiziert werden. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet. „Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung laufen, werden aber von einer anderen Polizeiinspektion übernommen“, erklärte die Sprecherin. Dies sei aus Gründen der Neutralität eine übliche Verfahrensweise. Der Fall wurde an die Polizei in Hildesheim abgegeben.
Thomas Rath, Leiter der Polizeiinspektion Göttingen, kritisierte das Verhalten des Kollegen. „Auch wenn Polizeibeamten immer wieder, wie im vorliegenden Sachverhalt, Hass und persönliche Beleidigungen entgegengeschleudert werden, rechtfertigt dies für sich allein keinesfalls ein körperliches Angehen des polizeilichen Gegenübers“, wird er in der Mitteilung zitiert. Er erwarte eine besonders hohe Hemmschwelle von seinen Beamtinnen und Beamten, in solchen Situationen die Ruhe und Distanz zu bewahren.
In Deutschland wurde in den vergangenen Monaten immer wieder über Polizeigewalt debattiert. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in der US-Großstadt Minneapolis hatte es auch hierzulande mehrere Demonstrationen gegeben. Nach einem Polizeieinsatz in Hamburg zogen Menschen auf die Straße: Ein Video auf Twitter zeigte dort, wie acht Beamte einen 15-Jährigen niederringen.