Wasser und Schlamm zerstörten im Juni 2024 die Metzgerei Hinderer in Rudersberg. Jetzt erinnert eine Marke am Gebäude an die Katastrophe – und den Wiederaufbau.
Unaufhaltsam schob sich die Flutwelle in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 2024 durch die Rudersberger Ortsmitte, drang in Häuser, Keller und Garagen – und überflutete auch die Metzgerei Hinderer. „Als das Wasser kam, ging alles ganz schnell“, erinnert sich Metzgermeister Werner Hinderer. „In nur sechs Minuten war der Laden vollgelaufen.“ Die Flut drückte durch die Schiebetüren der Metzgerei an der Welzheimer Straße, überflutete den Verkaufsraum, drang in die Produktion, zerstörte Einrichtung, Geräte, Waren und Vorräte. Der Schaden ging in die Millionen.
Trotz allem ließen sich Werner und Dorothe Hinderer nicht unterkriegen: Fünfeinhalb Monate nach der Katastrophe nahmen sie mithilfe ihrer Familie, von Freunden und Mitarbeitenden den Betrieb wieder auf. „Meine Vorfahren haben Kriege, Hungersnöte und Napoleons Truppen überstanden. Da lasse ich mich von einem Hochwasser nicht unterkriegen“, sagte Hinderer damals.
Ein Jahr später erinnert nun eine kreisrunde Hochwassermarke aus Metall an der Hauswand an das Ereignis – exakt bei 1,79 Meter, dem damaligen Wasserstand. „Unglaublich zu überlegen, dass hier eine Flutwelle mit bis zu zwei Metern durch die Welzheimer Straße gerollt ist“, sagte Bürgermeister Raimon Ahrens bei der Anbringung der Marke. „Das waren Zustände, die kann und will man sich gar nicht vorstellen.“
Gleichzeitig sei es wichtig, zu erinnern und sichtbar zu machen, was passiert sei – und was die Rudersberger seither gemeinsam geleistet hätten. „Da gehört Mut, Leistungsbereitschaft und Optimismus dazu, nach vorne zu schauen und zu sagen: Ich will das wieder schaffen, ich will wieder aufstehen und möchte nach vorne schauen.“ Einfach sei das nicht, ergänzt Hinderers Ehefrau Dorothe: „Es gibt Momente, da höre ich das Rauschen immer noch.“
Jede Marke ist eine Mahnung
Jede Marke sei aber auch Mahnung: Sie mache bewusst, welche Gewalt in Wetterextremen stecke. „Auch wenn wir hoffen, dass unsere Generation und die folgenden so eine Nacht nicht wieder erleben müssen“, so Ahrens. Koordiniert wird das Projekt von Klimaschutzmanagerin Nadine Bathke. Die Idee: An besonders betroffenen Orten im Gemeindegebiet soll dokumentiert werden, wie hoch das Wasser während der Flutnacht stand. „Die Marke zeigt nicht nur den Höchststand, sondern trägt auch einen QR-Code“, erklärt Bathke. Wer ihn mit dem Handy scannt, gelangt zu Originalbildern der Flutnacht und der Aufräumarbeiten danach.
QR-Code führt zur Flutnacht zurück
Insgesamt zehn dieser Marken sind in Rudersberg geplant. Sie sollen an besonders betroffenen, aber auch öffentlich gut sichtbaren Orten angebracht werden – an Gebäuden mit Symbolkraft oder an frequentierten Straßen.
Menschen sollen die Marken sehen
Zu den Standorten zählen das Hotel Sonne und das Bürgerhaus in Schlechtbach. Weitere Marken sollen unter anderem in Oberndorf und am Edeka-Markt folgen. Die Auswahl orientiert sich an zwei Kriterien: der Schwere der Schäden und der öffentlichen Sichtbarkeit.
Mit den Marken will die Gemeinde nicht nur erinnern, sondern auch sensibilisieren – für den Klimawandel, für zunehmende Extremwetterereignisse und für die Bedeutung von Eigenvorsorge und Katastrophenschutz.
„Nicht jeder konnte die Ereignisse von damals mental so gut verarbeiten“, sagte Bürgermeister Ahrens. Gerade deshalb brauche es Angebote, die nicht nur erinnern, sondern auch helfen, das Erlebte einzuordnen und zu bewältigen.
Klimatag und Hochwasser-Café
Neben der sichtbaren Erinnerung plant die Gemeinde daher auch einen Ort für persönlichen Austausch. Ein sogenanntes Hochwasser-Café ist in Vorbereitung – ein niederschwelliger Treffpunkt für Betroffene, die über das Erlebte sprechen oder einfach zuhören möchten. Darüber hinaus soll es im Oktober einen „Klimatag“ geben, bei dem es um die zunehmende Gefahr durch Extremwetter, um Hochwasserschutz und um Eigenvorsorge gehen soll. Werner Hinderer ließ am Eingang einen Aqualock installieren, der bei Hochwasser helfen soll. „Wenn das Wasser wieder so hoch wird wie vor einem Jahr, bringt auch das nichts!“